blau direkt wütend auf Versicherer

28.06.2017

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Lebensversicherer wurden von der Verschärfung des Geldwäschegesetzes völlig überrascht. Laut blau direkt Chef Oliver Pradetto allerdings kein Grund, dass die Maklerpools die Auswirkungen ausbaden müssen.

Um Terroranschläge schwieriger zu machen, hat die EU Anfang 2016 u.a. neue Maßnahmen zum Schutz vor Geldwäsche gefordert. Die Umsetzung dieser Forderungen ist mit der Veröffentlichung im Bundesanzeiger vorgestern in Kraft getreten. Da keine Übergangsfrist für das Inkrafttreten des Gesetzes galt, scheint die Versicherungswirtschaft von dem Maßnahmen vollkommen überrumpelt zu sein. Zwar hätte bereits seit letztem Monat, als der Bundesrat das Gesetz beschloss, dessen Auswirkungen klar sein müssen, dennoch wurden Vertriebe und Makler kalt erwischt. „Erst am gestrigen Tag haben uns die ersten Versicherer informiert, wie sich die neuen Regelungen auf die Annahme von Lebensversicherungsgeschäft auswirken“, erklärt Oliver Pradetto, Geschäftsführer von blau direkt verärgert.

Besonders ärgerlich empfindet Pradetto, dass für die Identifikation nach dem Geldwäschegesetz nicht mehr die Abbuchung von einem einheimischen Konto ausreicht, also die Erteilung eines Sepa-Mandats. Stattdessen muss der Vermittler die Identifikation des Versicherungsnehmers und aller Bezugsberechtigten persönlich vornehmen. Ein unnötiger Aufwand, so der Geschäftsführer: „Wir haben hier jetzt einige hundert Anträge liegen, für die wir eine Nachbearbeitung beim Makler anfordern müssen. Der muss jetzt nochmal zum Kunden rennen und die Identifikation neu durchführen.“ Ansonsten besteht für den Versicherer ein großes Risiko, denn ein Verstoß gegen das Geldwäschegesetz stellt eine Straftat dar. Entsprechend ist die Versicherungswirtschaft verunsichert, auch weil die BaFin noch nicht konkret geäußert hat, wie die Verordnung konkret umgesetzt wird. So muss jeder Versicherer sich im Rahmen seines Risikomanagements überlegen, wie er die Realisierung gewährleistet. „Auch wenn ich verstehe, dass der Umsetzungszeitraum die Versicherer kalt erwischt, so ist die Vorgehensweise eine bodenlose Frechheit von den Lebensversicherern,“ schäumt Poolchef Pradetto vor Wut. „Die Informationen kommen viel zu spät und klar sind die neuen Anforderungen auch nicht in jedem Fall. Rückfragen in den jeweiligen Antragsabteilungen verursachen große Verunsicherung. Die wissen nicht einmal selbst, was sie eigentlich genau brauchen.“ Gerade einmal 8 von über 80 Lebensversicherungspartnern hätten bisher überhaupt ihre Anforderungen formuliert, obwohl die Umsetzung bereits seit gestern notwendig ist. „Es ist die eine Sache, dass man es nicht schafft, die Angelegenheit rechtzeitig zu regeln und wenigstens dabei auch die eigenen Mitarbeiter zu informieren aber dann will auch noch jeder etwas anderes! Wie die Vermittler das stemmen sollen, scheint den Herren Vorständen vollkommen egal zu sein.“ schimpft Pradetto.

Besonders ist Pradetto über die Vielzahl an Methoden verärgert, mit denen die Versicherer dem Gesetz begegnen. So hätten die 8 Gesellschaften, die blau direkt bislang über ihr zukünftiges Vorgehen informiert hätten, 6 verschiedene Vorgehensweisen vorgelegt. "Eine Unverschämtheit!", so der Chef des Lübecker Maklerpools. „Während die Universa sich mit einer Kopie des Personalausweises begnügt, fordert die LV1871 gleich den Antrag auf einem völlig neuen Antragsformular einzureichen. Auch die Zurich will, dass der Makler jetzt die Daten auf dem Antrag zusätzlich erfasst. Allein da können wir jetzt diverse Anträge wieder an den Makler zurücksenden. Wer bezahlt das eigentlich? Die Standard Life fordert vom Vermittler eine persönliche Unterschrift und einen Firmenstempel auf der Ausweiskopie. Das muss man sich mal vorstellen: Die Versicherer überweisen Millionen jedes Jahr um sich im GDV eine gemeinsame Verbandsarbeit zu leisten und dann schaffen Sie es nicht einmal sich in so einer Frage sich auf gemeinsame Regelungen zu einigen.

Auch der GDV wird von Pradetto massiv kritisiert, denn dieser sei seiner Aufgabe, sich um eine einheitliche Regelung zu kümmern, nicht nachgekommen. Deshalb bliebe es den Pools überlassen, für Abhilfe zu sorgen. „Es kann eigentlich nicht sein, dass wir jetzt jedem Versicherer einzeln erklären müssen, dass nicht jeder einfach machen kann, was er will. Wir brauchen einen Standard, damit wir Prozesse einrichten können. Da geht es ja nicht nur um Arbeitsersparnis für den Vermittler, sondern auch darum, überhaupt Zuverlässigkeit in der Identifikation sicher stellen zu können! Ich fürchte aber, dass es wieder mal an den Pools hängen bleibt, die Versicherer mit einer Mischung aus Erklärung und Druck zu einem gesunden Mittelmaß zu bewegen. Ich bin das allmählich leid.“

Betroffen von den neuen Identifikationsvorschriften sind alle Lebensversicherungsprodukte, sogar die für Geldwäsche denkbar ungeeignete Risikolebensversicherung. Ausgenommen sei zwar die Berufsunfähigkeitsversicherung, jedoch nur, wenn diese mit Beitragsverrechnung kalkuliert sei. Für Berufsunfähigkeitszusatzversicherungen oder Produkte mit abweichender Überschussverwendung, wie etwa die Investment-BU der Nürnberger oder die Investment-BU der Gothaer, seien ebenfalls die neuen Identifikationsvorschriften zu erfüllen.

Die neuen Identifikationsvorschriften sind aus Sicht von blau direkt zwar sehr ärgerlich, jedoch nur die Spitze des Eisbergs. Da sei unmittelbar das operative Geschäft des Vermittlers betroffen. Die Vorschriften zu den Aufbewahrungs- & Meldepflichten würden die Vermittler weitaus härter treffen. So müssten die Makler zu diesem Thema Mitarbeiterschulungen sicherstellen, um sich selbst zu schützen. Das Geldwäschegesetz führe bei Verstößen zu schweren Strafen, was man daran sehen könne, dass Verstöße nicht etwa von der Finanzaufsicht, sondern direkt vom Bundeskriminalamt verfolgt würden. „Hier bräuchten Vermittler dringend Unterstützung, werden aber von den Versicherern - wie üblich - allein gelassen. Diese konzentrieren sich wie immer als erstes darauf sich selbst abzusichern. Auch hier müssen wir jetzt allein investieren, um schnellstmöglich technische Umsetzungen und Schulungen für unsere Partner zu organisieren.“, zeigt sich Pradetto enttäuscht. „Man muss sich das mal vorstellen: Um das LV-Geschäft für die Versicherer zu retten, müssen wir jetzt geschätzt rund 200.000 Euro investieren und das nur, damit uns dann LVRG2 Anfang des Jahres auch noch die Abschlussprovisionen wegnimmt. Man fragt sich allmählich, ob die Lebensversicherer überhaupt noch Interesse daran haben, irgendwelche eigenen Bemühungen zu zeigen, um ihr Geschäftsmodell zu erhalten.“ Abschließend kritisiert Pradetto die Informationspolitik der Versicherer, die bislang die Auswirkungen des Gesetzes nicht öffentlich gemacht haben. (ahu)

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