Binnennachfrage stimuliert chinesische Ökonomie

07.01.2021

Die Skyline von Shanghai / Foto: © TTstudio – stock.adobe.com

Einige Investmenthäuser rufen dieser Tage das asiatische Jahrzehnt aus. Im Kern dreht sich vieles um China, das zum jetzigen Zeitpunkt vergleichsweise gut mit der Pandemie zurechtgekommen ist. Verspricht das neue Freihandelsabkommen „RCEP“ gar einen weiteren Wachstumsschub? Joep Huntjens, Head of Asian Fixed Income, bei NN IP, gibt im finanzwelt-Talk erhellende Einblicke.

finanzwelt: In welcher Verfassung befindet sich augenblicklich die chinesische Wirtschaft?Joep Huntjens: China wird 2020 wahrscheinlich als einzige große Volkswirtschaft ein positives Wachstum verzeichnen. Wichtige Sektoren der chinesischen Wirtschaft wie das verarbeitende Gewerbe und die Immobilienentwicklung hatten sich bereits im dritten Quartal des Jahres vollständig erholt. Obwohl der Konsum anfänglich leicht rückläufig war, zeichnete sich in den letzten Monaten eine breite Erholung ab – im Vergleich zum Vorjahr wuchsen die Einzelhandelsumsätze im November um 5 %.

Im Jahr 2021 dürfte sich die positive Wirtschaftsdynamik in China fortsetzen, obwohl das sehr starke Exportwachstum nicht nachhaltig sein dürfte. In den nächsten Jahren wird die Wirtschaft in China voraussichtlich ein jährliches Wachstum von 5 % verzeichnen, wobei die Binnennachfrage zu einem immer wichtigeren Wachstumstreiber wird.

finanzwelt: Wie sieht es auf der Nachfrageseite in China derzeit aus? Huntjens: Die starke Nachfrage nach pandemiebezogenen Gütern hat die chinesischen Exporte in diesem Jahr beflügelt. Chinas globaler Handelsüberschuss ist in den ersten elf Monaten des Jahres 2020 um 21 % gestiegen. Obwohl die starke Exportdynamik im nächsten Jahr nachlassen dürfte, wird erwartet, dass die positive Entwicklung der Binnennachfrage anhält. Chinas sogenannte Dual-Circulation-Strategie legt in den kommenden Jahren einen stärkeren Fokus auf die Binnenwirtschaft sowie auf eine geringere Export-Abhängigkeit. Nachfrageseitige Reformen, die zu einem Anstieg der Inlandsnachfrage beitragen, führen zu Verbesserungen in Chinas sozialem Sicherungssystem und einer Verringerung der Einkommens- und Vermögensungleichheit. Diese Politik sollte zu einem geringeren, aber nachhaltigeren Wachstum führen, verglichen mit der schuldenfinanzierten, auf Infrastrukturinvestitionen ausgerichteten Politik, die zur Stimulierung der Wirtschaft nach der globalen Finanzkrise umgesetzt wurde.

finanzwelt: Was bedeutet das neue Freihandelsabkommen „RCEP“ für die chinesische Wirtschaft? Huntjens: Da China bereits Handelsabkommen mit den meisten anderen RCEP-Ländern hat, wird das neue regionale Freihandelsabkommen nur bedingt für weiteren Handel in China sorgen. Außerdem wird RCEP dazu beitragen, regionale Lieferketten effektiver zu integrieren, was Chinas industrielle Modernisierung durch die Verlagerung arbeitsintensiver Aktivitäten von China in die ASEAN-Länder beschleunigen könnte.

finanzwelt: Wie würden sich (weitere) Handelsspannungen zwischen China und den USA auswirken? Huntjens: Obwohl der Ausgang der US-Wahlen wahrscheinlich zu einem konstruktiveren Dialog zwischen den USA und China führen wird, denken wir, dass viele der Spannungen auch im Jahr 2021 anhalten werden. Unter Biden könnte sich der Schwerpunkt der Diskussionen zu Chinas Handelsüberschuss auf geopolitische, ökologische und soziale Themen verlagern. Auch Chinas Streben nach einer weltweiten Führungsposition im Technologiebereich wird weiterhin für Spannungen sorgen. Die diesjährigen Maßnahmen der USA, die die Lieferung von Komponenten an chinesische Technologieunternehmen blockieren, haben den Druck auf China erhöht, unabhängiger von Technologieimporten zu werden. Obwohl es in Chinas Interesse liegt, seine Beziehungen zu den USA und anderen Ländern zu verbessern, wird die Entwicklung der heimischen Wirtschaft und die Verringerung der Abhängigkeit von wesentlichen Importen in den kommenden Jahren eine höhere Priorität haben. (ah)

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Joep Huntjens - Foto: © NN IP[/caption]