Bilanzsaison- welche Bilanzsaison?

24.04.2017

Uwe Zimmer / Foto: © z-invest

Wenn Unternehmen ihre Zahlen vorlegen schauen Investoren immer sehr genau hin. In den USA ist gerade wieder Quartalsbilanzsaison, die Ergebnisse sind zufriedenstellend bis überraschend gut. Aber gibt es eigentlich noch eine Bilanzsaison? Und brauchen wir sie?

Es war ein Aufschrei, der durch deutsche Konzerne hallte, als das angelsächsische Modell der Quartalsbilanzen Einzug hielt. Vierteljährlich berichten? Transparenz? Für Investoren? Vielen Konzernlenkern erschien das noch vor einigen Jahren als Eingriff in ihre Hoheitsrechte. Nun, es gibt heute nur noch wenige, die nicht mittun im Reigen der Quartalsgläubigen. Investoren und Analysten erhalten also frische Zahlen – die trotzdem oft genug bei Veröffentlichung schon wieder abgestanden sind.

Denn hier liegt das Problem der Bilanzen und ihrer Saison: so richtig frisch ist die Ware „Zahlenwerk“ nie. Die Zahlen müssen in den Unternehmen zusammengetragen und zusammengefasst werden, sie müssen in Schubladen sortiert und intern diskutiert werden bevor sie dann nach draußen gehen. Diese Rechnungslegung dauerte früher tatsächlich einige Zeit. Heute sollten Zahlen schnell und zügig vorliegen – wie wollen die Vorstände sonst ihre Unternehmen steuern?

Die Digitalisierung der Geschäftsprozesse sorgt für schnelleren Zugriff auf Zahlen, was eine schnellere Steuerung im Unternehmen ermöglicht – und Investoren Daten immer schneller zur Verfügung stellt. Wozu also braucht es noch Quartalsbilanzen? Oder eine Bilanzsaison? In absehbarer Zeit werden Unternehmen fast in Echtzeit berichten – schon heute ist das bei wichtigen, kurs-relevanten Ereignissen vorgeschrieben. Schon bald wird dies möglicherweise für das gesamte Zahlenwerk möglich sein.

Positiv daran ist, dass Investoren dann tatsächlich Zugriff auf relevante Informationen haben. Nicht auf gut abgehangene Daten, sondern wirklich die neuesten und aktuellsten Zahlen. Und Zahlen sind nun einmal das Entscheidende in der Beurteilung eines Unternehmens und seines Erfolges. Je aktueller die Zahlen desto realistischer die Einschätzung. Je schneller also die Zahlen vorliegen desto schneller und besser können auch Investoren kaufen oder verkaufen.

Manchmal mag es aber auch seine Vorteile haben, wenn Zahlen erst einmal reifen. Denn zum einen könnte die schnelle Zahlenverfügbarkeit die Volatilität erhöhen: jeder kleine Ausschlag könnte zu hektischem handeln führen. Zum anderen sind manche Zahlen aber auch erst aussagekräftig, wenn sie durch Dauer bestätigt sind. Was nutzen Absatzerfolge, wenn diese nicht nachhaltig sind? Was nutzen Kostensenkungen, wenn diese nicht von Dauer sind?

Eine Bilanzsaison wird es in dem Sinne also nicht unbedingt mehr geben. Vor zu schnellen Zahlen sollten sich Investoren aber auch hüten. Fundamentale Analyse bedarf der Zeit und dem Blick auf Zeiträume, nicht nur auf Stichtage.

Kolumne von Uwe Zimmer, Geschäftsführer z-invest, Köln