BGH vs. EuGH: Doch kein Widerrufsjoker?

06.05.2020

Der Sitz des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg / Foto: © Ricochet64 - stock.adobe.com

So konnte man sich in Zeiten von Corona mal wieder über eine positive Nachricht freuen: Ende März sah es nach einem neuen verbraucherfreundlichen Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus.  Doch der Bundesgerichtshof (BGH) enttäuschte mit seiner Reaktion und machte dem EuGH ein Strich durch die Rechnung, indem er der Entscheidung bereits einige Tage später widersprach.

Worum ging es in der EuGH-Entscheidung?

Vor Europas höchster Rechtsinstanz, dem EuGH, wurde über rechtswidrige Klauseln in einem Immobilienvertrag verhandelt. Dieser enthielt einen sogenannten „Kaskadenverweis“. Ein Kaskadenverweis ist ein Verweis auf einen Gesetzestext, etwa einen Paragraphen, der wiederum auf andere Texte verweist. Die daraus entstandene Kette ist für einen Laien kaum zu durchschauen.

Diesen „Kaskadenhinweis“, eine einheitliche Formulierung zum Beginn der Widerrufsfrist, enthalten die meisten Verbraucherkredit-Verträge. Prüfe doch mal Deinen Kreditvertrag, ob sich dort in der Widerrufsbelehrung der Hinweis auf § 492 Abs. 2 BGB findet. Das ist die Klausel mit den Querverweisen, die der EuGH bemängelt hat.

Laut den Luxemburger Richtern soll die Klausel gegen die EU-Richtlinie für Verbraucherkredite verstoßen, die Kunden ein hohes Maß an Sicherheit und Transparenz verspricht. Kreditverträge müssten klar und prägnant die Bedingungen für die Widerrufsfrist darlegen. Eine "Kaskadenverweisung" auf unterschiedliche Paragrafen im nationalen Recht biete diese Klarheit aber nicht.

Sind die Widerrufsinformationen fehlerhaft führt das in der Regel dazu, dass die Frist zur Ausübung des Widerrufsrechts nicht zu laufen beginnt. Unzählige Darlehensverträge wären noch heute widerrufbar gewesen.

Wieso hat der BGH diesem Urteil widersprochen?

Nach dem BGH sei der vom EuGH beanstandete Kaskadenverweis in den Widerrufsinformationen, gemessen am deutschem Recht, ordnungsgemäß. Der deutsche Gesetzgeber hat 2010 in einem amtlichen Mustertext diesen Kaskadenverweis aufgenommen – und dadurch eine sogenannte "Gesetzfiktion" geschaffen. Banken haben sich dem BGH zufolge an die Vorgaben des deutschen Gesetzgebers gehalten, so dass sie den Kunden wirksam belehrt haben.

Darlehensverträge, die nach deutschem Recht geschlossen wurden, können damit nicht allein aufgrund des Kaskadenverweises widerrufen werden, wenn die Musterbelehrung aus dem BGB exakt verwendet wurde. Ein Widerrufsrecht wäre nur dann möglich, wenn die Bank die amtliche Musterwiderrufsinformation eigenständig geändert hat und ihr hierbei Fehler unterlaufen sind.

Möglicherweise kommt aber nun eine Staatshaftung der Bundesrepublik Deutschland in Betracht. Ob sich solche Ansprüche durchsetzen lassen, wird gerichtlich zu klären sein.

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