Bank Sarasin: Zinserhöhungen kein Allheilmittel

07.02.2013

© Kit Wai Chan - Fotolia.com

Alessandro Bee, Ökonom der Bank Sarasin, sieht keine Anhaltspunkte für eine rigidere Geldpolitik gegeben. Eine Erhöhung der Leitzinsen sei die falsche Medikation.

(fw/ah) "Der Anstieg der Inflation hat Erwartungen in eine baldigen Erhöhung der Leitzinsen in den Industriestaaten geschürt. Höhere Steuern und Ölpreise sind aber kein Grund für eine striktere Geldpolitik. In den letzten Monaten rückt die Inflation aufgrund stark steigender Öl- und Nahrungsmittelpreise wieder vermehrt in den Mittelpunkt. So ist es nicht verwunderlich, dass Investoren sich die Fragestellen, wann die Nullzinspolitik in den Industriestaaten zu Ende geht und welche der großen Zentralbanken als erste eine Anhebung der Leitzinsen vornimmt. Kandidat Nummer eins für eine Zinserhöhung ist die Bank of England. Die Gesamtinflationsrate im Vereinigten Königreich erhöhte sich im Januar auf vier Prozent. Damit liegt die Gesamtinflation mittlerweile zwei Prozent über dem Inflationsziel der Bank of England von zwei Prozent. Futures-Kontrakte zeigen denn auch, dass der Geldmarkt bereits in den nächsten Monaten mit einer Zinserhöhung rechnet.

Bevor aber die Bank of England die Zinsen erhöht, tut sie gut daran, sich anzusehen, was hinter dem starken Inflationsanstieg im Vereinigten Königreich steht. Die Regierung hat zu Beginn des Jahres 2009 die Mehrwertsteuer von 17.5 auf 15 Prozent gesenkt, um mit einer Ankurbelung des Konsums die Finanzkrise zu bekämpfen. Aber angesichts von Haushaltsdefiziten von mehr als zehn Prozent in den Jahren 2009 und 2010 sah man sich gezwungen, diesen Konsumstimulus im Jahr 2010 wieder rückgängig zu machen. So wurde zu Beginn dieses Jahres die Mehrwertsteuer auf 20 Prozent angehoben. Ein Großteil der inflationären Entwicklung ist auf diesen Anstieg der Mehrwertsteuer zurückzuführen.

Der inflationäre Schub aus der Mehrwertsteuer-Erhöhung hat zwei Eigenschaften. Erstens wird er nur gut ein Jahr andauern. Zu Beginn des nächsten Jahres sollte dieser Basiseffekt aus den Preisen verschwunden sein. Zweitens wirkt er wachstumshemmend. Die Beschleunigung in der Inflationsrate ist nicht das Resultat einer voll ausgelasteten Wirtschaft. Im Gegenteil: Der Anstieg der Mehrwertsteuer schmälert die Kaufkraft der Konsumenten und stellt für die Konjunkturentwicklung im Jahr 2011 einen Risikofaktor dar. Es ist gefährlich, den temporären Inflationsanstieg mit einem Zinsanstieg zu «kontern». Der strikte Sparkurs der Regierung in Kombination mit höheren Zinsen seitens der Bank of England birgt das Risiko, dass der Aufschwung im Vereinigten Königreich abgewürgt wird. Entscheidend ist die Koordination von Fiskal- und Geldpolitik. Die Bank of England ist gut beraten, die monetären Zügel erst anzuziehen, wenn sichergestellt ist, dass die Wirtschaft mit den Sparanstrengungen zurechtkommt. Das macht einen Zinsschritt in den nächsten Monaten wenig wahrscheinlich. Ähnliches gilt auch für die Zentralbanken der anderen Industriestaaten. Höhere Inflationsraten in der Eurozone und den USA aufgrund steigender Erdölpreise sind kein Zeichen, dass der Wirtschaftsmotor sich überhitzt, sondern stellen eine Gefahr für die Konjunktur dar. Eine Erhöhung der Leitzinsen wäre die falsche Medizin."

www.sarasin.de