Auch im Alter investieren

27.10.2015

Trotz Konjunktur und Niedrigzinsen investieren Unternehmen in Deutschland kaum. Dies gilt auch für Maklerfirmen. Als Ursache wird gerne der demografische Wandel herangezogen: Verantwortlich seien ältere Unternehmer, die kein Interesse mehr an Investitionen hätten, da es ihrem Unternehmen ja gut ginge.

Im Interview mit der finanzwelt gibt Prof. Lucas F. Flöther dazu Auskunft.

finanzwelt: Herr Prof. Flöther, investieren ältere Unternehmer zu wenig?

Prof. Flöther: Ja und nein. Wie Studien belegen, sind es tatsächlich eher ältere Unternehmer, die auf – oftmals sogar notwendige – Investitionen verzichten. Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite gibt es nämlich auch viele ältere Unternehmer, die gerne investieren würden, von den Banken aber keine entsprechenden Kredite mehr erhalten. Das Geld, das die EZB zur Förderung von Investitionen in die Banken pumpt, kommt also nicht in den Unternehmen an. Die Unternehmen können also oft nicht von den Niedrigzinsen profitieren. Anders gesagt: Es herrscht derzeit zwar eine Liquiditätsschwemme im Finanzmarkt, aber auch ein Liquiditätsengpass bei vielen Unternehmen. Diese Situation kann Unternehmen schnell in eine existenzbedrohende Krise führen – gleichgültig, wie alt die Unternehmer sind.

finanzwelt: Wie aber sollen Unternehmen – gerade solche mit älteren Inhabern oder Geschäftsführern – bei Investitionsentscheidungen vorgehen?

Prof. Flöther: Zunächst einmal sollte das Alter des Unternehmers überhaupt keine Rolle spielen. Entscheidend sind einzig und allein die Wettbewerbsfähigkeit der Produkte und das Wohl des Unternehmens. Wichtig ist, dass Investitionen grundsätzlich einer klaren Strategie folgen sollten. Nur weil gerade Geld da ist, heißt das nicht, dass es auch Sinn macht, dieses zu investieren. Auf der anderen Seite darf sich ein Unternehmer aber auch nicht generell vor Investitionen verschließen, nur weil es dem Unternehmen gerade gut geht. Daher rate ich, in wirtschaftlich guten Zeiten kontinuierlich Rücklagen zu bilden und diese dann gezielt für Investitionen in Zukunftsprojekte einzusetzen. So ist das Unternehmen nicht oder nur zum Teil auf Kredite angewiesen; es läuft aber auch nicht Gefahr, sofort in eine Schieflage zu geraten, wenn eine Investition nötig wird. Zudem nehmen vorhandene Rücklagen gerade älteren Unternehmern die Angst vor Investitionen.

finanzwelt: Wann ist aber der richtige Zeitpunkt für Investitionen?

Prof. Flöther: Investitionen sind in allen Unternehmen notwendig – früher oder später. Das Motto „Der gute Unternehmer ist auch ein vorsichtiger Kaufmann“, ist zwar grundsätzlich richtig. Diese Vorsicht, die vermehrt ältere Unternehmer zeigen, darf aber nicht zu Stagnation und Verweigerung führen. Produkte und Märkte wandeln sich genauso wie die beteiligten Personen. Diesem Wandel kann oftmals nur durch Investitionen oder Innovationen begegnet werden. Ein Produkt, das die letzten dreißig Jahre gut funktioniert hat und erfolgreich war, kann nächstes Jahr schon überholt und damit unverkäuflich sein. Das bedeutet, ein Unternehmer – gleich welchen Alters – muss den Blick immer in die Zukunft richten. Dabei reicht es nicht, nur das eigene Geschäft zu betrachten. Man muss auch die Entwicklung der Branche, Geschäftspartner und Kunden im Auge haben. Welche Herausforderungen kommen die nächsten Monate und Jahre auf die Branche zu? Bin ich mit meinem Produkt unter den neuen Rahmenbedingungen weiterhin konkurrenzfähig? Sollte die zweite Frage nicht mit einem klaren „Ja“ beantwortet werden können, gilt es, das Produkt oder das Unternehmen neu auszurichten. Dabei darf auch nicht vor möglichen Investitionen zurückgeschreckt werden. Grundsätzlich gilt: „Immer am Ball bleiben“, also Produkte und Leistungen regelmäßig hinterfragen und bei Bedarf investieren und neu ausrichten.

finanzwelt: Es heißt oft, ältere Unternehmer tun sich schwer damit, loszulassen oder gar Tipps von außen anzunehmen. Ist das nicht sehr gefährlich?

Prof. Flöther: Absolut. Dies kann schnell dazu führen, dass die eingefahrenen Denkweisen gar nicht mehr in Frage gestellt werden und eine Art Verkrustung einsetzt. Unterschiedliche Denkweisen in einem Unternehmen sind für den Unternehmenserfolg aber unverzichtbar. Gerade Außenstehende haben oft einen ganz anderen Blick auf die Dinge und bringen neue Ideen ein, wie das Unternehmen erfolgreich weiterentwickelt werden kann. Diese neuen Ansätze führen immer wieder zu hilfreichen Investitionen für die Zukunft. Immer am Ball zu bleiben heißt also auch: Offen sein für Neues.

finanzwelt: In diesem Zusammenhang stellt sich zwangsläufig immer auch die Frage nach der Unternehmensnachfolge. Ein Thema, das von älteren Firmenchefs oft verdrängt wird.

Prof. Flöther: Richtig, leider. Und das, obwohl es für den Unternehmenserfolg extrem wichtig ist, sich rechtzeitig um die Unternehmensnachfolge zu kümmern. Eine Unternehmensübergabe kann mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Oftmals schadet der Firmenchef seinem Unternehmen mehr als es nutzt, wenn er so lang wie möglich am Ruder bleibt und später nur wenig Zeit für eine geordnete Übergabe bleibt. Dies kann schnell dazu führen, dass das Tagesgeschäft leidet und das Unternehmen in eine Schieflage gerät. Häufig wird auch die Planung von Investitionen oder Finanzierungen hierdurch behindert. Ein guter Nachfolger, der eine Zeit gemeinsam mit dem bisherigen Chef die Geschäfte lenkt, ist die beste Variante – beide Seiten sollten es als Gemeinschaftsprojekt ansehen. Oftmals brennt der Neue gerade darauf, das Unternehmen weiterzuentwickeln und ist daher auch eher bereit, Investitionen zu tätigen. Zumal der meist jüngere Nachfolger bei der Aufnahme eines erforderlichen Kredits sicher bessere Karten hat. Kreditinstitute drängen im Rahmen ihrer Risikobeurteilung in der Regel auf Klarheit bei der Unternehmensnachfolge. (hwt)

Info

Prof. Dr. Lucas F. Flöther ist Insolvenzverwalter und Namenspartner der bundesweit tätigen Kanzlei Flöther & Wissing. Er gilt als einer der führenden deutschen Sanierungsexperten und ist Sprecher des Gravenbrucher Kreises, einem Zusammenschluss der führenden deutschen Insolvenzverwalter.

Onlineausgabe 04/2015