Assekuranz – Risiko oder Skepsis?

09.08.2016

Die Skepsis ist ein Teil des Geschäftsmodell der Assekuranz - aber auch das Risiko © Stefan Körber - Fotolia.com

Die Assekuranz ist über Jahrhunderte gewachsen. Das strategische Denken der Branche ist davon nicht unbeeinflusst. Die Assekuranz ist Hüter von Deckungen und Kollektiven, aber reicht das?

2016-08-10 (fw/db) Die deutsche Assekuranz fokussiert sich noch stark auf interne Themen wie Infrastrukturen und Prozesse. Viele Versicherer zeigen sich sehr zögerlich, wenn es darum geht, Innovationen zu entwickeln. Sie riskieren dadurch zunehmend den Anschluss an neue InsurTech-Trends zu verpassen. Aber Risiko ist ja das Geschäftsmodell der Assekuranz. Zwar wird in der Assekuranz allgemein anerkannt, dass Versicherungs-Start-ups große Chancen bieten. Die wenigsten Versicherer haben bisher Prozesse und Maßnahmen angestoßen, um neue digitale Produkte und Dienstleistungen am Versicherungsmarkt durchzusetzen. Einige Anbieter erwarten zudem, dass teilweise die eigenen klassischen Versicherungsvermittler zu den Verlierern der InsurTech-Innovationswelle gehören werden, und hoffen ihr Geschäft künftig über andere Vertriebskanäle wie Banken, Annex-Vertrieb über Hersteller oder Dienstleister (Automobil, Reisebranche, Verbände), Direktvertrieb oder Versicherungsmakler generieren zu können. Dies sind auch zentrale Ergebnisse der aktuellen InsurTech-Studie der ZEB Strategie- und Managementberatung – nach eigenen Angaben führend in der Beratung von Unternehmen im europäischen Finanzsektor. Das von renommierten Wissenschaftlern geprägte Institut hat aktuell untersucht, wie deutsche Versicherungsunternehmen die InsurTech-Trends bewerten und beabsichtigen, darauf zu reagieren. Insgesamt haben sich über 120 Vorstände, Führungskräfte und Experten der Versicherungsbranche an der aktuellen ZEB-Studie beteiligt, was gemessen am Beitragsvolumen mehr als 80 Prozent des deutschen Versicherungsmarktes entspricht. „Die deutsche Assekuranz öffnet sich Schritt für Schritt neuen Geschäftsideen und Innovationen. Das geschieht aus unserer Sicht jedoch zu langsam. Die Branche muss lernen, wesentlich schneller und konsequenter auf die Bedürfnisse ihrer digital verwöhnten Kunden einzugehen“, warnt Dr. Matthias Uebing, verantwortlicher ZEB-Partner für das Versicherungsgeschäft.

Interesse – aber geringe Kenntnis des InsurTech-Marktes

Die InsurTech-Studie ist auf sehr großes Interesse in der Branche gestoßen. Angesichts dessen überrascht es, dass nur die Hälfte der Versicherer (52 Prozent) angibt, den InsurTech-Markt genauer zu beobachten. So besteht bei der Bekanntheit von InsurTechs großer Nachholbedarf. Fast alle Anbieter von Versicherungsdeckungen kennen Vergleichsportale und digitale Makler. Andere innovative Geschäftsmodelle, die zudem die Versicherer/Vermittler unterstützen, statt zu konkurrieren, fristen dagegen ein „Schattendasein“ (zum Beispiel White-Label-Apps für Vermittler, Prozessunterstützungstools, Schadenmanagement). Unterm Strich: Von zurzeit über 50 InsurTechs in Deutschland sind unter den Versicherern nur eine Handvoll Unternehmen bekannt.

Versicherer sehen hohes Potenzial – warten aber ab

Im Detail ergab die Studie, dass die deutschen Versicherer mehrheitlich vom Potenzial der InsurTechs als Innovationstreiber überzeugt sind. So bewerten 74 Prozent der Befragten den InsurTech-Trend als relevant bzw. sehr relevant. 73 Prozent der Befragten erwarten zudem, dass sich durch deren Geschäftsmodelle Chancen für die etablierte Branche ergeben. Klassischen Versicherungsvermittler könnten verlieren 56 Prozent der Versicherer denken, dass bei klassischen Versicherungsvertretern die Risiken überwiegen. „Versicherer gehen offenbar davon aus, dass klassische Vermittler gegenüber Aggregaten und digitalen Maklern Kunden verlieren werden. Aus unserer Sicht sollten die Versicherer jedoch nicht zu sehr darauf vertrauen, dass das Geschäft künftig im selben Umfang über andere Kanäle kommt. Es gilt vielmehr, vor allem den eigenen Vertrieb zukunftsfest aufzustellen“, warnt Jakob Baron, Manager bei ZEB und Autor der Studie in einer aktuellen Medienmitteilung. Die Versicherer hätten bislang kaum Maßnahmen umgesetzt, um diese Chancen zu realisieren oder den Risiken zu begegnen. Nur 19 Prozent der Studienteilnehmer geben an, InsurTech-Ideen adaptiert zu haben. 17 Prozent der Befragten bejahen, mit InsurTechs zu kooperieren, und nur drei Prozent haben Abwehrmaßnahmen umgesetzt.

Innovation InsurTechs – und Versicherer schauen tatenlos zu?

Stattdessen verlassen sich Versicherer auf Altbewährtes und halten an bisherigen Vertriebs- und Geschäftsmodellen fest. 91 Prozent geben an, auf ihre bestehenden Geschäftsmodelle zu vertrauen und Innovationen nur dann zu übernehmen, wenn diese sich am Markt bereits durchgesetzt haben. Nur neun Prozent der Versicherer, also nur jeder zehnte Marktteilnehmer, sehen sich selbst als Innovationsführer. Allerdings gehören dazu die Marktführer. Das ist aus Sicht der Autoren der Studie und Experten ein zu zögerliches Vorgehen. „Die Versicherer sind zu stark mit ihren internen Themen beschäftigt. Die Verbesserung des Kundenerlebnisses wird dabei fast kampflos den InsurTechs überlassen“, bilanziert Jakob Baron. „Es wird aktuell oft geschrieben, dass Versicherer sich neu erfinden und innovative Lösungen erarbeiten. Die Studie beweist jetzt das Gegenteil. Bis auf sehr wenige, große Versicherungskonzerne ist die Branche passiv und abwartend“, so abschließend Dr. Matthias Uebing. ZEB ist eine auf den Finanzdienstleistungssektor spezialisierte Strategie- und Managementberatung. Das Unternehmen unterhält 15 Standorte in Deutschland, Dänemark, Italien, Luxemburg, Norwegen, Österreich, Polen, Russland, Schweden, der Schweiz und der Ukraine. Mit mehr als 900 Mitarbeitern und 180 Millionen Euro Umsatz in 2015 ist das Unternehmen nach eigenen Angaben die Nummer 1 in Deutschland und eine der führenden Beratungsgesellschaften für Banken, Sparkassen, Versicherer und andere Finanzinstitute in Europa.