Anschlussfinanzierung als Chance im Niedrigzinsumfeld

25.09.2013

Foto: Chlorophylle - Fotolia.com

Die Vermittler von Baufinanzierungen sind unsicher. Erstmals seit langer Zeit geraten die Zinsen in Bewegung: In Euro-Peripherie-Staaten wie Italien und Spanien steigen die Staatsanleihen; in Deutschland nehmen die Inflationsängste zu, niemand weiß, wie sich die Zinsen nach der Bundestagwahl entwickeln werden.

Vor diesem Hintergrund nimmt die Nachfrage nach informierter und intelligenter Beratung in Sachen Anschlussfinanzierung zu. Welche Aspekte sind derzeit wichtig, welche Möglichkeiten gibt es nach Ablauf der ersten Zinsbindungsfrist? Wir diskutierten mit Experten.

Unsere Gesprächspartner

Achim Denkel, Geschäftsführer maxpool GmbH. Das Unternehmen bietet rund 5.000 angebundenen Maklern Produkte von über 100 Gesellschaften und eigene Deckungskonzepte im Versicherungsbereich. Seit kurzem unterstützt maxpool Makler auch bei der Baufinanzierungsberatung.

Stephan Gawarecki, Vorstandssprecher Dr. Klein & Co. AG. Die hundertprozentige Tochtergesellschaft des internetbasierten Finanzdienstleisters Hypoport AG kooperiert mit über 100 Banken im tagesaktuellen Baugeld-Vergleich.

Christian Heckemann, Leiter Vertriebsmanagement Immobilienfinanzierung PlanetHome AG. Das Unternehmen übernimmt für über 300 Bankfilialen die Vermittlung von Wohnimmobilien und Finanzierungen.

finanzwelt: Die Zinsen im Bereich Baufinanzierung sind weiterhin äußerst niedrig. Welche Entwicklung erwarten Sie in nächster Zeit?

Denkel: Das niedrige Zinsniveau ist in erster Linie auf den europäischen Einfluss zurückzuführen. Wäre Deutschlandeine Insel, hätten wir jetzt einen anderen Zins. Bis sich die gesamteuropäische Wirtschaft wieder erholt hat, werden wir keine typisch volkswirtschaftliche Zinserhöhung sehen, die eigentlich logisch wäre, wenn man die aktuellen Börsendaten betrachtet. Ich erwarte keinen stark steigenden Zins.

Gawarecki: Ich gehe von mittel- bis langfristig steigenden Zinsen aus. Die Frage ist, wann dies sein wird und wie steil die Kurve verlaufen wird. Wenn man sich die Entwicklung seit Mai ansieht, sind die Zinsen im Mittelwert um 50 Basispunkte gestiegen. Dafür genügte bereits die Ankündigung des Präsidenten der US-amerikanischen Notenbank, dass man darüber nachdenkt, Geldmittel vom Markt zu nehmen. Tatsächlich ist zwar noch gar nichts passiert, es gibt aber schon eine kurzfristige Reaktion der Märkte.

Heckemann: Im Detail kann niemand die Zinsentwicklung vorhersagen. Sie hängt von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ab. Wir gehen derzeit nicht davon aus, dass die EZB generell von ihrem Niedrigzinskurs abweicht und erwarten eine Seitwärtsbewegung, möglicherweise hat der Zins seinen Scheitelpunkt aber bereits hinter sich gelassen. Es macht daher niemand einen Fehler, der bei dem momentanen Zinsniveau eine Anschlussfinanzierung anstrebt.

finanzwelt: Worauf kommt es an, wenn man im Zinstal eine gute Anlageimmobilie finden will?

Gawarecki: Lage, Lage, Lage. Auf Deutschland bezogen kann man diese Frage nicht generell beantworten, sondern muss die einzelnen Regionen betrachten, um Rentabilität und Wiederverkaufschancen bewerten zu können.

Denkel: Die „Lage, Lage, Lage-Theorie" hat mit dem Zins nichts zu tun. Entweder ist eine Immobilie interessant, oder sie ist es nicht. Egal, ob der Zins hoch oder niedrig ist. Nur der Preis wird sich über den Zinssatz ausdrücken. Je niedriger der Zins, umso höher der Preis, weil die Nachfrage nach der Immobilie dann höher ist.

finanzwelt: Zu welcher Zinsbindung sollte der Vermittler dem Anleger raten?

Gawarecki: Wir raten grundsätzlich zu möglichst langen Zinsbindungen. Aktuell ist dabei auch die Kombination mit einem Bauspardarlehen sehr attraktiv. Das Zinsniveau ist derzeit zwar historisch niedrig. Langfristig müssen wir aber damit rechnen, dass es auch wieder steigen kann. Es müssen auch noch andere Faktoren in die Finanzierung eingebaut werden, die letztlich das Zinsänderungsrisiko schmälern: So sollten möglichst Sondertilgungen und höhere Tilgungsraten vereinbart werden.

finanzwelt: Sollte der Vermittler seinen Kunden jetzt zur Prolongierung auffordern oder noch abwarten?

Denkel: Der Vermittler sollte auf den Kunden zugehen und ihn darauf hinweisen, dass jetzt ein sehr guter Zeitpunkt für eine Prolongierung ist. Wenn man sich schon in einem historischen Zinstal befindet, sollte man über das Thema Anschlussfinanzierung sprechen.

finanzwelt: Der Erwerb einer Immobilie ist nicht zum Selbstzweck geworden, weil die Zinsen so niedrig sind?

Heckemann: Selbstzweck geworden ist er nicht, aber das niedrige Zinsniveau lockt eine Klientel an, die sich bisher noch keine Gedanken über eine Baufinanzierung gemacht hat.

Gawarecki: Es liegt in der Verantwortung des Vermittlers, mit diesem Thema sehr sorgfältig umzugehen. Das aktuelle Zinsniveau sollte nicht der ausschlaggebenden Grund dafür sein, eine Investitionsentscheidung zu treffen. Dies kann eher ein positiver Nebeneffekt bei einer bereits getroffenen Entscheidung sein. Es gibt übrigens keine Korrelation zwischen Zinsentwicklung und Baufinanzierungsvolumen in Deutschland. In den vergangenen 20 Jahren gab es verschiedene Zinsentwicklungen mit Höhen und Tiefen, trotzdem ist das Baufinanzierungsvolumen immer konstant geblieben. Dies erleben wir auch jetzt. Das Volumen hat trotz des niedrigen Zinsniveaus nicht zugenommen, sondern ist relativ konstant geblieben.

finanzwelt: Kommen Vermittler in Sachen Anschlussfinanzierung derzeit verstärkt auf Sie zu oder muss hier nachgeholfen werden?

Heckemann: Wir weisen die Vermittler auf dieses Thema hin und zeigen ihnen auf, welche Chancen für sie in der Anschlussfinanzierung stecken. Die freien Vermittler sind viel näher am Kunden als die Hausbank, bei der die Kunden vor sieben oder acht Jahren einen Kredit abgeschlossen haben. Sie sollten erfragen, welche Kunden eine laufende Finanzierung haben und wann diese ausläuft. Dann sollten die Vermittler die aktuelle Finanzierung überprüfen und eventuell zu einer Umschuldung raten, dies möglichst schon mehrere Jahre vor Ende der Zinsbindung. So können sich die Vermittler profilieren.

Gawarecki: Es ist die individuelle Beratungsleistung des Vermittlers, Kunden das richtige Angebot zu unterbreiten. Er muss prüfen: Welcher Kunde befindet sich in welchem Finanzierungsstatus? Wann läuft die Zinsbindung ab? Welche alternativen Angebote passen zum Kunden? Unsere Aufgabe sehen wir darin, ihn technisch in die Lage zu versetzen, dies zu tun, d. h. die notwendigen Daten zur Verfügung zu stellen.

Denkel: Unser Haus arbeitet mit Vermittlern, die in der Vergangenheit wenig Baufinanzierungsgeschäft gemacht haben. Die Anschlussfinanzierung ist für sie ein guter Einstieg. Sie treffen auf erfahrene Kunden, die den gesamten Ablauf einer Baufinanzierung bereits von der Bank oder vom Vorfinanzierer kennen. Wir stellen den Vermittlern dann die passenden Angebote zur Verfügung.

finanzwelt: Wann ist für den Vermittler der passende Zeitpunkt, um sich um das Thema Anschlussfinanzierung zu kümmern?

Gawarecki: Den einen richtigen Zeitpunkt gibt es nicht. Dies hängt von verschiedenen Variablen ab, die nicht final bestimmbar sind: Zu welchem Zeitpunkt wurde die erste Baufinanzierung abgeschlossen? Was ist der Basiszins? Die Entscheidung hängt letztlich auch von der Risikoeinschätzung des Kunden ab.

Heckemann: Entscheidend ist, welche Art von Kunden der Vermittler vor sich hat: Ist dieser sehr sicherheitsorientiert oder ist er bereit, ein gewisses Risiko einzugehen? Für den sicherheitsorientierten Anleger kann es durchaus interessant sein, schon fünf Jahre vor Ablauf seiner Zinsbindung ein Forward-Darlehen abzuschließen, das ihm einen gleichen oder günstigeren Zins sichert als er momentan hat. Der Berater sollte die Zinsentwicklung genau beobachten. In den vergangenen zwölf Monaten sind die Zinsen kontinuierlich gesunken. Wer also im letzten Jahr mit der Anschlussfinanzierung noch gewartet hat, der hat nichts falsch gemacht.

finanzwelt: In Brüssel wird schon bald die Wohnimmobilienkreditrichtlinie verabschiedet, die verschärfte Bedingungen für Baufinanzierungsvermittler mit sich bringt, z. B. erhöhte Beratungs- und Dokumentationspflichten sowie das Erfordernis einer Sachkundeprüfung. Wird dies zu einer Marktkonsolidierung führen wie bei den Finanzanlagenvermittlern?

Denkel: Die Wohnimmobilienkreditrichtlinie wird den Markt der Baufinanzierungsvermittler nicht so sehr treffen wie der neue § 34f Gewerbeordnung die Finanzanlagenvermittler getroffen hat. Wer Immobilienfinanzierung vermittelt, muss seine Kompetenz nachweisen, indem er die richtigen Angebote auswählt. Der Vermittler kennt sich besser in seiner Materie aus als ein Finanzanlagenvermittler, der auch mal „spontan" einen Fonds vermittelt, wenn es zum Portfolio des Anlegers passt.

Heckemann: Ich sehe es schon so, dass viele freie Vermittler das Thema Baufinanzierung bisher mehr oder weniger nebenher machen. Sie werden sich überlegen müssen, ob es sich lohnt, in Ausbildung und Zertifizierung zu investieren. Ich erwarte, dass es zu einer Konsolidierung kommen wird.

Gawarecki: Der Markt der Baufinanzierungsvermittler ist noch relativ unreguliert. Die Qualität der Beratung ist aber deutlich homogener als in anderen Bereichen. Die Regulierung wird dazu führen, dass der heute schon qualifiziert tätige Finanzierungsvermittler aufgewertet wird, weil der Markt Zugangsbarrieren erhält. Dies stellt sowohl für den Kreditnehmer als auch für den Vermittler eine große Chance dar.

(Das Gespräch führten Christoph Sieciechowicz und Kim Brodtmann)

Expertengespräch Baufinanzierung - Printausgabe 05/2013