Amerika wieder groß (und reich) machen

15.11.2016

Igor de Maack

Das erste der bedeutenden politischen Ereignisse liegt hinter uns. Es endete mit dem Wahlsieg von Donald Trump und hat damit eine Zeit der Ungewissheit eingeleitet. Dieses Ergebnis müsste die Märkte theoretisch für eine gewisse Zeit mit erhöhter Volatilität belasten. Im Moment haben die Börsen wider jede Intuition zunächst einmal zugelegt, ebenso wie die langfristigen Zinsen und der Dollar. Ohne sofort eine Bilanz der achtjährigen Amtszeit Barack Obamas zu ziehen, werden die Marktbeobachter dennoch die sieben aufeinander folgenden Jahre des Wachstums positiv bewerten, etwa den technologischen Fortschritt und die Vorherrschaft einer Cybermacht mit ihren Internet-Unternehmen, den Rückgang der Arbeitslosigkeit und die Umsetzung von Obamacare. Wie seinerzeit Bill Clinton, aber auf weniger spektakuläre Weise hat die demokratische Präsidentschaft es verstanden, ihre Fähigkeit unter Beweis zu stellen, der Wirtschaft einen Impuls zu verleihen und Arbeitsplätze zu schaffen, allerdings unterstützt durch eine akkommodierendere Geldpolitik. Nun verfügen die Republikaner über alle institutionelle Macht. Sie haben einiges zu tun, denn die Bilanz der Obama-Jahre ist in Wirklichkeit durchaus von Kontrasten geprägt. Sie müssen bisher ungekannte soziale Ungleichheiten abbauen, die Verschuldung der Studenten aufgrund astronomischer Hochschulgebühren reduzieren, die Löhne erhöhen, ohne allzu sehr an den Margen der Unternehmen zu zehren, den Konjunkturzyklus verlängern und eine relative Stabilität des Dollars und der Welt sicherstellen und dabei gleichzeitig eine mittlerweile als zu locker eingeschätzte und von den Finanzmärkten pervertierte Geldpolitik ändern. Im Moment präsentiert sich das Wirtschaftsprogramm von Trump inflationistisch und protektionistisch (Erhöhung von Zöllen, Neuverhandlung von Handelsabkommen, Lohnerhöhungen, Wiederbelebung der Infrastrukturprogramme) und konzentriert sich vor allem auf allgemeine Steuersenkungen, die allerdings finanziert sein wollen. Im Hinblick auf das politische und geostrategische Programm bleibt nur zu hoffen, dass er nicht all seine skurrilen während seines Wahlkampfs herausgebrüllten Ideen umsetzen wird.

Die anderen politischen Termine sollten nicht außer Acht gelassen werden (Referendum in Italien, rechtliches Verfahren und Diskussionen im Zusammenhang mit dem Brexit), dürften aber keinen Schock auf den Märkten nach sich ziehen.

In England teilte das oberste Gericht von London mit, dass es der britischen Regierung zur Auflage gemacht habe, dass die Einleitung des Brexit-Verfahrens vom Parlament zu verhandeln sei. Dies ist eine Entscheidung, gegen die die Regierung Berufung beim Supreme Court, dem obersten Gericht des Landes, einlegen will. Die Loslösung von der Europäischen Union ist also doch nicht so ganz einfach. In Italien scheint das Referendum bereits verloren zu sein (das „Nein“ liegt in den neusten Umfragen vorn), und unsere jüngsten Treffen mit italienischen Unternehmen lassen uns zu der Einschätzung kommen, dass das Ergebnis nicht unbedingt die Art und Weise verändern wird, auf die das Land kurzfristig geführt wird. Zudem haben sich die Renditen italienischer Staatsanleihen bereits um 50 Basispunkte von denen spanischer Staatspapiere entfernt. So machte ein Leiter eines Unternehmens jenseits der Alpen uns gegenüber mit Humor und Selbstironie die Bemerkung, „dass ungeachtet dessen, ob das institutionelle System Italiens nun eine oder zwei parlamentarische Kammern hat, diese doch immer noch von Italienern verwaltet werden…“.

Die jüngsten Quartalsveröffentlichungen vermitteln das Bild einer weiterhin volatilen Welt, die Inflationsrisiken ausgesetzt ist und auf die eine Änderung der geldpolitischen Gangart zukommt.

Der Berichtszeitraum für die Quartalsergebnisse erweist sich eher als gemischt, ohne dass die Unternehmen sich jedoch wirklich negativ zum derzeitigen Lauf der Geschäfte äußern. Während einige Unternehmen solide Ergebnisse veröffentlichten (Sanofi, Total, BNP Paribas, STM, LVMH, Volkswagen), sorgten andere eher für Enttäuschung (Capgemini, Publicis) oder korrigierten ihre Ziele nach unten (Ryan Air, Gemalto, Ericsson). Auf einem technischen Markt ohne Volumen konnte man die Sanktionen an den Börsen zuweilen als zu hart empfinden. Im November nimmt der Konsens der Analysten in der Regel seine letzten Korrekturen an den Gewinnen für das laufende Jahr vor. Derzeit geht man davon aus, dass diese sowohl in den USA als auch in Europa weitgehend unverändert bleiben. Die Ergebnissteigerungen für das Jahr 2017 werden für diese beiden Wirtschaftsregionen auf +12 % bzw. +14 % geschätzt, was mit dem Niveau der vergangenen fünf Jahre vergleichbar ist. In der vergangenen Woche waren zum ersten Mal wieder Zuflüsse in europäische Aktien zu verzeichnen, nachdem die Kapitalflüsse in 38 aufeinander folgenden Wochen negativ waren. Auch wenn es sich nur um geringe Beträge handelt, bedeutet dies vielleicht, dass heimische und internationale Anleger ihre Verkäufe abgeschlossen haben. Nach dem Überraschungseffekt des Wahlsiegs von Donald Trump treten die wirtschaftlichen und geldpolitischen Fragen und die Maßnahmen zur Ankurbelung der Konjunktur in den USA wie auch anderswo wieder in den Vordergrund. Für all diejenigen, die die derzeitige oder künftige Volatilität für sich nutzen wollen, dürfte sich der Kauf europäischer Aktien zu günstigen Konditionen auf lange Sicht auszahlen. Lang laufende Anleihen erscheinen uns immer noch zu teuer und risikobehaftet, falls sich die Inflationsgefahren konkretisieren werden, insbesondere im Zuge der während der Amtszeit von Trump geführten Politik.

Kolumne von Igor de Maack Portfoliomanager und Sprecher des Portfoliomanagements, DNCA