Alles auf Anfang, Italien!

29.05.2018

Wolfgang Juds, Geschäftsführer CREDO Vermögensmanagement GmbH / Foto: © CREDO Vermögensmanagement GmbH

Das Scheitern beim Bilden einer neuen italienischen Regierung bewegt die Märkte. Droht eine „neue“ Eurokrise? Wie geht’s nun weiter? Wolfgang Juds, Geschäftsführer CREDO Vermögensmanagement GmbH, gibt eine Markteinschätzung.

Politische Börsen haben kurze Beine, sagt eine bekannte Börsenweisheit. Doch die Lage in Italien besitzt durchaus das Potenzial, eine neue Eurokrise hervorzurufen. Es schien zunächst so, als ob das hoch verschuldete Land eine neue Regierung bekommen könnte, ein Bündnis der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung und der nationalistischen Lega. Beide Lager vereint die Absicht, zusätzliche soziale Wohltaten mit dem Füllhorn zu verteilen und dafür neue Kredite aufzunehmen. Außerdem besteht die berechtigte Sorge, dass dieses Regierungsbündnis einen antieuropäischen Kurs fährt und die Regeln des EU-Stabilitätspaktes unterläuft. Im Koalitionsvertrag der beiden Parteien steht der Wille, die europäischen Verträge mit Blick auf Staatsverschuldung und Haushaltsdefizit "neu zu diskutieren".

Vorerst doch keine populistische Regierung in Italien

Zwar ist diese Regierungsbildung vorerst gescheitert, aber wie in Griechenland und beim Brexit zeigt auch die Lage in Italien, wie verwundbar die Europäische Union ist. Es fehlt ein geeigneter Sanktionsmechanismus, um die Einhaltung der vereinbarten Regeln verbindlich einfordern zu können. Außerdem gerät das gesamte europäische Konstrukt ins Wanken, wenn einzelne Mitgliedsländer aufgrund ihrer nationalen Souveränität die Verträge bewusst brechen. Eine Neuverhandlung des Stabilitäts- und Wachstumspakts, wie sie von den vorerst gescheiterten italienischen Koalitionspartnern gefordert wird, werden die übrigen Euro-Staaten zurückweisen. Dass es jedoch überhaupt so weit kommen kann, ist schlimm genug. Italien als Gründungsland der EU und G7-Staat hat das Zeug, ein neues Griechenland für die Eurozone zu werden - mit dem Unterschied, dass Italien um ein Vielfaches größer ist als Griechenland und somit den Bestand des Euro massiv bedroht. Die demokratischen Kräfte in Europa mögen das als Warnung und als Weckruf begreifen!

An den Kapitalmärkten kam die Reaktion sofort: Der Euro hat seit Ende April gegenüber den anderen wichtigen Währungen US-Dollar, Japanischer Yen und dem Schweizer Franken rund 3,5 % verloren. Das verbessert zwar die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Firmen auf dem Weltmarkt, zeigt aber, wie schnell das Vertrauen in den Euro verloren gehen kann.

Gelbe Karte für Europa!

Italien bekommt vermutlich eine neutrale geschäftsführende Übergangsregierung unter Leitung des Wirtschaftsfachmanns Carlo Cotarelli. Jedoch stehen Neuwahlen mit offenem Ausgang vor der Tür. Als Anleger müssen wir genau beobachten, wie es in Italien politisch weitergeht und wie sich die Europäische Zentralbank verhält, denn sie darf Italien in dieser Situation nicht unter die Arme greifen. Die Renditen italienscher Staatsanleihen sind bereits sprunghaft angestiegen und dürften bei einem Sieg der populistischen Parteien weiter zulegen. Wohin steuert Europa jetzt? Kommt es zu einer Haftungsunion mit einer Vergemeinschaftung von Schulden oder findet Europa einen Weg für ein geordnetes Insolvenz- bzw. Austrittsverfahren, falls ein Staat aus der Union ausscheidet? Veränderungen wird es in jedem Fall geben, denn der Druck auf Merkel und Macron wächst. Die Anleger sollten wachsam sein und rechtzeitig daran denken, ihr Depot in turbulenten Zeiten auch einmal wetterfest zu machen. Eine andere Börsenweisheit sagt: An Gewinnmitnahmen ist noch niemand gestorben!