US-Wahl: Vorsicht vor populären Börsenweisheiten

14.09.2016

Dr. Philipp Finter: Leiter Research; Dr. Jördis Hengelbrock: Portfoliomanagerin, Sal Oppenheim

Studie von Sal. Oppenheim: Die Parteizugehörigkeit des US-Präsidenten erklärt mittel- bis langfrististig keine Aktienrenditen. Weil externe Faktoren wichtiger seien, als wer im Oval Office sitzt, sollten Anleger Wahleffektanalysen mit Vorsicht genießen.

(fw/ah) Eine Studie des Kölner Bankhauses Sal. Oppenheim, welche die Ergebnisse sämtlicher US-Präsidentschaftswahlen seit dem 2. Weltkrieg und die Entwicklung des US-Aktienmarktes unter den verschiedenen Amtsinhabern analysiert, kommt zu dem Schluss: Die Parteizugehörigkeit des US-Präsidenten hat mittel- bis langfristig keinen entscheidenden Einfluss auf die Aktienrenditen. Die Ergebnisse der Analyse lassen außerdem an der Allgemeingültigkeit zweier populärer Börsenweisheiten zweifeln: Bereinigt um 2008, den Höhepunkt der Finanzmarktkrise, trifft es weder zu, dass Wahljahre keine Aktienjahre sind, noch dass die Kapitalmärkte von republikanischen Wahlsiegen profitieren. „Wer über ein mittel- oder langfristiges Investment am US-Aktienmarkt nachdenkt, sollte seine Entscheidung nicht vom Ausgang der Präsidentschaftswahl abhängig machen", sagt Dr. Philipp Finter, Leiter Research Investmentstrategie bei Sal. Oppenheim und Co-Autor der Studie. „Dafür spielen andere Faktoren für die Entwicklung der Aktienkurse eine zu dominante Rolle wie beispielsweise Finanzmarktschocks, Veränderungen bei Produktivität oder Rohstoffpreisen sowie das internationale Umfeld." Analysiert man die US-Wahlzyklen seit dem 2. Weltkrieg, so waren unter demokratischen US-Präsidenten überdurchschnittliche Renditen zu verzeichnen. Der S&P 500 kletterte unter Demokraten im Jahresdurchschnitt um 10,7 %, unter Republikanern um lediglich 4,8%. „Das liegt aber nicht zuletzt am Pech der republikanischen Amtsinhaber, in deren Regierungszeit viele große Krisen fielen", urteilt Finter. Als Beispiele nennt er die erste Ölkrise (unter den Präsidenten Nixon und Ford), das Platzen der Dot.com-Blase, die Anschläge vom 11. September 2001 sowie die Subprime-Finanzkrise (alles unter George W. Bush). Bereinige man die Betrachtung um Krisen-Zeiträume, verringere sich der Vorsprung unter Demokraten auf rund einen Prozentpunkt.

Einfluss des Präsidenten begrenzt, plakative Aussagen wenig stichhaltig

Demokratische Präsidenten profitierten häufig von einem vorteilhaften geldpolitischen und makroökonomischen Umfeld: Die Geldpolitik war tendenziell lockerer als unter republikanischer Präsidentschaft, die Inflation niedrig und Konjunkturbarometer wie der Stimmungsindikator ISM standen auf vergleichsweise hohen Niveaus. Ein demokratischer Präsident, Bill Clinton, profitierte zudem von der Blasenbildung rund um die New Economy mit durchschnittlichen Kursgewinnen von 19 % im Jahr. „Das war schlichtweg Zufall", sagt Dr. Jördis Hengelbrock, Portfoliomanagerin bei Sal. Oppenheim. Die Co- Autorin der Studie erklärt: „Dass allein das Parteibuch des US-Präsidenten diese Kennzahlen maßgeblich beeinflusst, glauben wir nicht, damit würde man den präsidialen Einfluss überschätzen und externe Schocks sowie das politische System der USA mit seinen Checks und Balances unterschätzen." Hengelbrock misstraut Studien, die langfristige Performanceunterschiede dem US-Präsidenten zuschreiben: „agegen sprechen die Komplexität und Zeitstruktur von Gesetzgebungs- und Konjunkturzyklen, die Begrenztheit der Beobachtungszeiträume sowie die Vielzahl externer Schocks." Anleger sollten Wahleffektanalysen grundsätzlich mit Vorsicht genießen. „Viele plakative Aussagen zum Zusammenhang zwischen Aktienrenditen und der US-Präsidentschaftswahl verlieren ihre Gültigkeit oder kehren sich sogar um, wenn man die Daten um statistische Ausreißer bereinigt", so Hengelbrock. Das gilt auch für die Aktienmarktperformance in US-Wahljahren. Blickt man auf die mittlere jährliche Kursentwicklung des S&P 500 seit dem Jahr 1948, errechnet sich im Gesamtzeitraum ein jährlicher Kurszuwachs von 8,6 %. In Wahljahren sind es dagegen nur 6,1 %. Lässt man zwei Jahre mit Extremereignissen außen vor – 2000 (Platzen der New-Economy-Blase) und 2008 (Subprime-Krise) – übersteigen die Wahljahre mit einem Plus von 10,2 % sogar den Gesamtzeitraum (ohne 2000 und 2008: 9,6 %). www.oppenheim.de