Was bedeutet Macron für Frankreichs Arbeitsmarkt?

11.07.2017

Sandra Hundsdörfer / Foto: © GGV

Die französische und die deutsche Wirtschaft haben sich in den vergangenen Jahren sehr verschieden entwickelt: Vor neun Jahren noch hatten beide Länder eine vergleichbare Arbeitslosenquote: Im Oktober 2008 betrug sie 7,2 Prozent in Deutschland und 7,6 Prozent in Frankreich. Heute liegt sie in Deutschland bei 3,9 Prozent (April 2017), während sie in Frankreich lange um die 10 Prozent gependelt war und seit Jahresbeginn auf 9,5 Prozent gesunken ist.

Ein wichtiges Wahlkampfthema war folglich, wie man Unternehmen dazu bringt, wieder mehr Menschen einzustellen. Die Geschäfte haben sich in Frankreich seit 2015 eigentlich viel versprechend entwickelt, das reale Bruttoinlandsprodukt ist Jahr für Jahr um gut 1,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr gewachsen. Die Arbeitslosenzahlen aber stagnieren auf hohem Niveau. Hier plant die neue Regierung deutliche Anreize, um Einstellungen für Arbeitgeber attraktiver zu machen.

Tariferleichterungen

In Frankreich gelten, anders als in Deutschland, flächendeckende Branchentarifverträge, die neben dem Arbeitsgesetz zwingendes Recht sind. Sie gelten je nach Tätigkeitsgebiet und unabhängig davon, ob man als Arbeitgeber einem der Arbeitgeberverbände angehört, sodass heute nahezu jedes Unternehmen in den Anwendungsbereich eines der zahlreichen Tarifverträge fällt. Diese Tarifverträge werden von den Sozialpartnern verhandelt und gelten für alle Betriebe der Branche, unabhängig von ihrer Größe. Die Betriebe können zwar innerhalb der vom Branchentarifvertrag gesetzten Grenzen auch Betriebsvereinbarungen schließen. Das Verhandlungsmonopol liegt hier bei den Gewerkschaften. Allerdings sind sie an die Vorgaben des Branchentarifvertrags gebunden und können, mit Ausnahme der Fragen der Arbeitszeit seit der letzten Reform, nicht zu Ungunsten des Arbeitnehmers von dem Branchentarifvertrag abweichen.

Künftig sollen Unternehmen im Rahmen des französischen Tarifsystems mehr individuelle Gestaltungsmöglichkeiten haben. Das soll ihnen, je nach ihrer konkreten Situation, erlauben, wesentliche Fragen des täglichen Arbeitsrechts auf Unternehmensebene zu regeln. Neu ist hier, dass dies nicht mehr nur in Fragen der Organisation der Arbeitszeit gestattet sein soll, sondern in weit mehr Fragen des Arbeitsrechts. Die Branchen sollen deutlich an Regelungs-hoheit verlieren. Details dazu werden in den kommenden Wochen mit den Gewerkschaften verhandelt.

Änderungen bei Kündigungen

Französische Unternehmen sind unabhängig von ihrer Größe an strenge Kündigungsschutz-vorschriften gebunden. Wie in Deutschland brauchen sie einen rechtlich anerkannten Entlassungsgrund, doch führt auch eine begründete Entlassung zu einem Anspruch auf gesetzliche bzw. tarifvertragliche Abfindung. Ihre Höhe richtet sich nach der Betriebs-zugehörigkeit. Stellt ein Gericht später fest, dass die Entlassung ohne triftigen Grund erfolgt ist, kann der Entlassene über die Abfindung hinaus Schadensersatz zugesprochen bekommen. Die Richter legen die Höhe nach freiem Ermessen fest, orientieren sich dabei allerdings an einer Tabelle mit Entschädigungssätzen.

Im Unternehmensalltag sind die Folgekosten einer Entlassung durch die Kumulation von tarifvertraglicher Abfindung und gerichtlich zugesprochenem Schadensersatz nur schwer kalkulierbar. Wer als Unternehmer schon in Schwierigkeiten steckt, für den sind solche Unwägbarkeiten ein hohes Risiko. Man geht davon aus, dass dies in der Praxis auf dem Arbeitsmarkt bei vielen Unternehmern zu einem Einstellungshemmnis führt. Daher will die Regierung den Schadensersatz bei rechtswidriger Entlassung begrenzen – nach unten durch einen Sockelbetrag, nach oben durch einen Deckel. Ausgenommen hiervon soll der Schadensersatz wegen Diskriminierung und Mobbing sein, dort behält der Richter seinen Ermessenspielraum.

Außerdem soll die Frist für eine Kündigungsschutzklage verkürzt werden. Derzeit beträgt sie zwei Jahre.

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