Sicherheit durch Wachstum

19.07.2017

Gerd Häcker, geschäftsführender Gesellschafter der steinbeis & häcker vermögensverwaltung gmbh / Foto: © steinbeis & häcker vermögensverwaltung gmbh

Klassisches Value Investing, das vorwiegend auf günstigen Bewertungskennziffern basiert, wurde jahrzehntelang von vielen Anlegern erfolgreich betrieben. Aus unserer Sicht ist die Debatte um das „verbohrte" Screening nach günstigen Kennzahlen aber nicht alleine zielführend. Durch die neuesten technologischen Entwicklungen mit ihren disruptiven Auswirkungen ziehen die marktführenden digitalen Plattformen immer mehr Geschäft an sich. Wer sie nicht besitzt, verpasst die Zukunft. Daher ist es an der Zeit umzudenken. Wir als wertorientierte Anleger müssen uns unbedingt auch mit Firmen beschäftigen, die bei unseren klassischen Bewertungsmaßstäben durch viele Raster fallen.

Buffett spricht über Technologieaktien

Auf der letzten Hauptversammlung von Berkshire Hathaway hat Warren Buffett auffallend lange und ausführlich über technologische Disruption und über Unternehmen wie Alphabet und Google gesprochen. Diese Ausnahmeunternehmen waren, wie viele andere auch, in der Phase ihres stärksten Wachstums selten günstig zu ergattern. Value-Investoren, die ausschließlich auf niedrige Bewertungskennzahlen ausgerichtet waren, kamen bei diesen Aktien nicht zum Zug und verpassten die großen Trends bei diesen „Reichmachern". Einige der erfolgreichsten Gesellschaften hatten Innovationen zu bieten, die der Markt als revolutionär einstufte. Da der Mensch neuen Entwicklungen durchaus skeptisch gegenübersteht, und der „Proof of Concept" in Form von hohen Gewinnen bei den Newcomern meist aussteht, werden Investitionen in solche Gesellschaften von Value-Investoren als zu riskant eingestuft.

Technologische Entwicklung gefährdet bewährte Geschäftsmodelle

Durch die Digitalisierung ist es dringend nötig geworden, noch aufmerksamer zu sein, um die erfolgversprechendsten Firmen zu finden. Für viele „etablierten" Gesellschaften besteht schon heute die akute Gefahr, das Geschäftsmodell zu verlieren. Die entsprechenden Unternehmen sind vielleicht durchaus zu recht „günstig" bewertet. Aus Sicherheitsgründen muss der vorausschauende Anleger deswegen bei aussichtsreichen Kandidaten durchaus höhere Bewertungen akzeptieren, um nicht Gefahr zu laufen, den nächsten großen „Disruptor" zu verpassen. Solche Firmen bieten uns auf mittlere Sicht einen beträchtlichen Schutz für unser Vermögen. Sie dienen quasi als „Lebensversicherung" für unsere Finanzen.

Was haben erfolgreiche Gesellschaften gemeinsam?

Herausragende Gesellschaften haben grundsätzlich ein starkes Umsatzwachstum zu verbuchen. Sie besitzen nicht selten ausgezeichnetes technologisches Know-how und starke Innovationskraft. Sie verändern häufig die Welt mit vertikalem statt horizontalem Fortschritt. Ihr zugrundeliegender Markt sollte sich in einem strukturellen Aufwärtstrend befinden, der uns noch über mehrere Jahre begleitet. Die Gewinnentwicklung ist in der ersten Phase nicht entscheidend für den neuen „Börsenstar". Es gilt vielmehr den besetzten Markt möglichst komplett an sich zu reißen, um später durch positive Skalierungseffekte den Hebel auf den Gewinn umzulegen. Wir sind daher immer wieder „gezwungen" uns ins Boot des möglichen Innovators zu setzen. Nackte Bewertungskennzahlen spielen am Beginn der Entwicklung nicht die Hauptrolle. Später gilt es, die Gesellschaft mit Argusaugen zu beobachten, da geringste negative Abweichungen von den vorgegebenen Planzahlen zu deutlichen Kursabschlägen führen können.

Value Ansatz ja, aber nicht dogmatisch

Vorausdenken ist angesagt! Wer vorausdenkt und sich zwingt, sich mit der Zukunft zu beschäftigen, der kann auch die Risiken für die bisherigen „Platzhirsche" erkennen und Kapital daraus schlagen. Unternehmen mit Wachstum zeigen uns, dass sie sich vorerst noch auf dem richtigen Weg befinden, um erfolgreich die Zukunft zu bestreiten. Der legendäre „Buffett-Style", der bei der Aktienauswahl insbesondere auch die Wachstumsraten der Gesellschaft im Auge hat, ist aktueller denn je. Höhere Volatilitäten sind manchmal in Kauf zu nehmen, um die Zukunft nicht zu verpassen und im Boot zu bleiben. Den alten Value-Grundsatz, Technologiewerte komplett zu ignorieren, verfolgen wir schon länger nicht mehr. Als zukunftsorientierter Vermögensverwalter beschäftigen wir uns mit attraktiv bewerteten Unternehmen, aber auch mit den neuesten Innovationen und Geschäftsmodellen, um die Chancen der neuen Zeit zu nutzen.

Kolumne von Gerd Häcker, geschäftsführender Gesellschafter der Steinbeis & Häcker Vermögensverwaltung