Schiffe und Container in Not

11.09.2016

Schiffe und Container bringen Investoren in Seenot © fotomek - Fotolia.com

Die Schiffs- und Containerbranche wurde viel zu lange Investoren als Sachwertanlage verkauft. Die Realität ist eine andere. Nirgendwo drohen mehr Verluste als auf See oder im Container-Geschäft.

2016-09-12 (fw/db) Die weltweite Schifffahrtsbranche befindet sich seit Jahren in Schwierigkeiten. Das wird sich nach Einschätzung des weltweit führenden Kreditversicherers Euler Hermes, eine Tochter der Allianz SE, auch so schnell nicht ändern, das zeigen auch die jüngsten Beispiele in der Containersparte. Zwischen Januar und Mai 2016 sind die Insolvenzen in der Branche um mehr als zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Die Branche leidet weiterhin an Überkapazitäten, Fracht- und Charterraten auf einem Rekordtief bei einem gleichzeitig schwächelnden Welthandel – mit integriertem Dominoeffekt auf finanzierende Fonds und Banken. Vor allem die Container-Reeder setzen auf Fusionen oder Allianzen, um diesem Sturm zu trotzen. Ein Ende der Konsolidierung ist derzeit nicht in Sicht. Die Weltwirtschaft wächst um lediglich 2,4 Prozentpunkte in 2016 und damit so langsam wie seit der Weltwirtschaftskrise nicht mehr. Mit einem Zuwachs von 2,7 Prozent sind die Aussichten auch für 2017 verhalten. Das bedeutet zum sechsten Mal in Folge einen Zuwachs unterhalb der Drei-Prozent-Marke und damit deutlich unterhalb der Wachstumsraten von durchschnittlich vier Prozent zwischen 2004-2007. Der Wert des Welthandels in US-Dollar schrumpft 2016 sogar erneut um voraussichtlich zwei Prozentpunkte nach einem Verlust in Höhe von zehn Prozent in 2015. Zwar haben die Reedereien gleichzeitig von den stark gesunkenen Ölpreisen profitiert, dennoch reicht dies in einigen Fällen nicht aus, um die niedrigen Raten zu kompensieren. Deshalb bleiben die Risiken in der Branche auch weiterhin hoch und insbesondere in einigen Sparten wird es auch weiterhin zu Insolvenzen kommen.

Frachtraten greifen Substanz an

„Die Seeschifffahrt ist das Rückgrat des Welthandels“, erläutert Ludovic Subran, Chefvolkswirt der Euler Hermes Gruppe. „80 Prozent des weltweiten Handelsvolumens werden per Schiff transportiert, beim Wert der gehandelten Güter sind es 70 Prozent. Über viele Jahre hat die Branche trotz der seit sieben Jahren anhaltenden Schifffahrtskrise vor allem von der Entwicklung der Containersparte profitiert und den ständig wachsenden Größen der Containerschiffe. Der niedrige Ölpreis hat diesen Trend gestützt. Nun hält aber der Welthandel nicht mehr Schritt mit den Kapazitäten. Angebot und Nachfrage klaffen zunehmend weiter auseinander. Ein Container auf der Asienroute kostet etwa halb so viel als noch vor vier Jahren. Die Containerschifffahrt ist in der Folge mit ihrer größten Krise konfrontiert. Das geht bei einigen an die Substanz, vor allem wenn über den langen Zeitraum der anhaltenden Krise die Puffer bereits aufgebraucht sind.“ Doch nicht nur die anhaltend hohen Risiken und der schwächelnde Welthandel stellen Reedereien vor Herausforderungen, sondern die gleichzeitig wachsenden Überkapazitäten und die Rezession in vielen Ländern.

Bestell-Boom bei Schiffen trotz Mangel an Aufträgen

„Einige der Probleme der Branche sind auch hausgemacht“, analysiert Subran. „Es gab einige Jahre lang einen regelrechten Wettlauf der Reeder um die größten Schiffe. Dieser Neubau-Boom holt sie jetzt wieder ein, die ganzen Megacontainerschiffe sind in den letzten Jahren sukzessive vom Stapel gelaufen, weitere werden in diesem Jahr noch abgeliefert. Durch die Überkapazitäten, die so über die Jahre aufgebaut wurden, befinden sich die Frachtraten im Sinkflug – und das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, in dem der Wert des Welthandels schrumpft und der für die Schifffahrt enorm wichtigen chinesischen Wirtschaft zumindest vorübergehend etwas die Puste ausgeht.“ Das zieht seine Kreise in viele weitere asiatische Staaten und hinzu kommt die Rezession in Brasilien und anderen südamerikanischen Staaten sowie in Russland.

Allianzen und Fusionen als vermeintlicher Rettungsanker

„Das ist schon fast ein perfekter Sturm, dem die großen Containerreedereien versuchen, mit Allianzen und Fusionen zu begegnen, um ihre eigene Schiffe besser auszulasten, ihre Marktmacht zu stärken, Kosten zu senken und damit die eigene Profitabilität zu stützen“, warnt Ron van het Hof, CEO von Euler Hermes in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Trotz dieser Maßnahme werden einige Reedereien erhebliche Verluste schreiben.“ Um die Überkapazitäten zu bekämpfen, liegen jedoch viele Schiffe auf: Das spart zwar Bunkerkosten, verursacht aber dennoch im Unterhalt Kosten und vor allem die spätere Reaktivierung ist mit hohen Kosten verbunden.

Kleinere Reedereien haben zu kämpfen

„Die Reaktivierung von aufliegenden Schiffen ist sehr teuer, so dass dies gleich doppelt schmerzhaft ist für die Reedereien“, sagte Van het Hof. „Die weltweite Konsolidierungs- und Fusionswelle ist noch nicht zu Ende. Mit der Bildung von Allianzen und durch Fusionen gehen viele gecharterte Schiffe auch an die Eigner zurück. Das löst eine regelrechte Kettenreaktion aus und trifft vor allem die kleineren Reeder hart. Insbesondere Charterreedereien mit nur wenigen Schiffen und ohne eigene Dienste oder Zugang zu Fracht leiden darunter. Sie können bei den aktuellen Charterraten auf Rekordtief kaum kostendeckend arbeiten und die finanzielle Decke ist in vielen Fällen durch die andauernde Schifffahrtskrise dünn. Das ist ein Teufelskreis, der in der Folge auch Schiffsfonds mit in ihren Sog zieht und finanzierenden Banken zum Teil erhebliche Schäden durch ausgefallene Kredite beschert.“

Negative Auswirkungen auf die Sicherheit reaktivierter Schiffe

Auch auf die Sicherheit in der Schifffahrt hat die schwierige wirtschaftliche Lage negative Auswirkungen, analysieren Experten der Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS) in ihrer aktuellen Marine Safety Studie: Viele Sparten, wie Fracht, Container und Offshore sind bereits gefährdet und jede weitere Verschlechterung der Sicherheitsstandards gäbe Anlass zur Sorge. Die AGCS-Experten warnen vor einer aufschiebenden Sicherheitsmentalität, die notwendige Investitionen auf vermeintlich bessere Zeiten vertagt. Dafür gibt es jedoch bereits erste Anzeichen: Einige Reeder haben die Instandhaltung auf die größtmöglichen Intervalle ausgedehnt, andere legen Schiffe still. „Die Reaktivierung stillgelegter Schiffe in einem Markt, der sich technologisch weiterentwickelt hat, kann sich äußerst schwierig gestalten“, warnt Kapitän Jarek Klimczak, Senior Marine Risk Consultant bei der AGCS. „Es müssen standardisierte Stilllegungsverfahren entwickelt werden.“

Schiffbruch-Risiken bis Kapazität und Welthandel im Gleichschritt sind

„Diese schwierige Entwicklung trifft natürlich auch die deutschen Reeder und den Standort Hamburg“, warnt Van het Hof. „Auch hier wird es Gewinner und Verlierer geben. Zumindest werden derzeit aber kaum neue Schiffe bestellt. Das bringt zwar die Werften in Alarmbereitschaft, lässt aber hoffen, dass Kapazitäten und Welthandel in den kommenden Jahren zumindest wieder in den Gleichschritt kommen. Bis dahin wird der eine oder andere Schiffbruch erleiden. Die Finanzstärke und das damit verbundene Durchhaltevermögen sind dabei entscheidend, um sicher durch diesen Sturm zu navigieren und auch bei etwaigen Verlusten auf Kurs zu bleiben.“ Aktuelle Marine Safety Studie der AGCS: http://www.agcs.allianz.com/insights/white-papers-and-case-studies/safety-and-shipping-review-2016/ Aktuelle Studie Panama Kanal / Schifffahrt der AGCS: http://www.agcs.allianz.com/insights/white-papers-and-case-studies/panama-canal-risk-bulletin/