Nick Price hält noch selektiv an Russland fest

31.07.2014

Nick Price

Seit einiger Zeit halten Schwellenländeraktien nicht mit ihren Pendants aus den Industrieländern Schritt. Politische und andere Unsicherheiten sind nicht spurlos an den Kursen vorübergegangen.

Inzwischen werden Schwellenlandaktien mit kräftigen Abschlägen gehandelt: Ihre Kurs-Gewinn- und Kurs-Buchwert-Verhältnisse bewegen sich auf den niedrigsten Niveaus seit zehn Jahren verglichen mit weltweiten Aktien.

Ende Juni lagen beide Kennzahlen für Schwellenländeraktien etwa 30 % unter denen von Aktien aus den Industrieländern. Dabei sind die Unternehmen aus den Schwellenländern gemessen an ihrer Eigenkapitalrendite um 1-2 % profitabler als ihre Wettbewerber aus den Industrienationen. Daher halte ich es jetzt für einen interessanten Zeitpunkt, sich stärker in einer Anlageklasse zu engagieren, die derzeit wenig populär ist, der mittel- bis langfristig aber strukturelle Wachstumstreiber zugute kommen.

Positiv bewerte ich aktuell Indien. Dort ist nach der Wahl des Premierministers Narendra Modi eine Erholung der Wirtschaft zu erkennen. In den nächsten Jahren dürfte sich das Wachstum beschleunigen. Denn die Regierung kann das starke Wählermandat nutzen, um den bürokratischen Dschungel zu lichten und Reformen sowie Infrastrukturinvestitionen einzuleiten. Ich habe daher mein Engagement in Indien verstärkt, z.B. bei Privatbanken.

Afrika schätze ich schon lange optimistisch ein. Was den Kontinent für Anleger besonders interessant macht, ist der geringe Wettbewerb, nicht zuletzt aufgrund Afrikas Ruf, es Unternehmen nicht leicht zu machen. Diese negative Wahrnehmung herrscht noch immer in den Köpfen vor, weshalb die Angebotsseite nur langsam wächst. Das schützt die ansehnlichen Profite der Anbieter, die bereits in Afrika präsent sind.

Zu guter Letzt Russland: Hier bin ich nur noch sehr eingeschränkt investiert, halte jedoch weiter Aktien von Surgutneftegaz. Zum einen haben die gegen den Energiesektor verhängten Strafen bislang vernachlässigbare Auswirkungen auf das Tagesgeschäft. Zudem ist Surgutneftegaz mit einem Barvermögen von 35 Milliarden US-Dollar, das die Marktkapitalisierung übersteigt, sehr gut kapitalisiert. Vor ein paar Tagen hat das Unternehmen übrigens eine Dividende in Höhe von 10 % in US-Dollar gezahlt. Auch an der Sberbank halte ich fest. Sie bleibt eine der stärksten Banken in den Schwellenländern und profitiert von günstigen Einlagen und Kreditkonditionen. Und die starke Einlagenbasis im Inland verringert ihre Abhängigkeit von externen Finanzierungsquellen.

Derzeit sehe ich keinen Anlass, meine noch bestehenden Positionen in Russland zu verkaufen. Die Auswirkungen der Sanktionen werde ich natürlich genau beobachten. Dabei werde ich – wie generell in meinen Portfolios – vor allem auf Einzeltitelbasis entscheiden. Denn ich bin davon überzeugt, dass eine sorgfältige Auswahl und ein fundiertes Verständnis der Unternehmen, in die ich investiere, langfristig entscheidend sind, um gute Renditen zu erzielen.

(Autor: Nick Price, Fondsmanager beim unabhängigen Vermögensverwalter Fidelity Worldwide Investment)