Rolle rückwärts in UK?

19.09.2017

Markus Steinbeis, geschäftsführender Gesellschafter der Steinbeis & Häcker Vermögensverwaltung / Foto: © Steinbeis & Häcker Vermögensverwaltung

Es schwelt etwas unter der Oberfläche im Vereinigten Königreich. Proteste und Demonstrationen der EU-Anhänger gehören mittlerweile zum Alltag auf der Insel seit der knappen Brexit-Entscheidung vom 23. Juni 2016. Die Kundgebungen erschienen lange Zeit sinnlos und ohne Aussicht auf Erfolg. Das hat sich mittlerweile geändert - der Wind in den Parteien und im Parlament beginnt sich langsam zu drehen. Den Briten wird zusehends bewusst, dass sie die Komplexität sowie die Kosten der Austrittsverhandlungen unterschätzt und ihre Verhandlungsposition überschätzt haben. Die Wahrscheinlichkeit eines Exits vom Brexit steigt Monat für Monat. An den Kapitalmärkten ergeben sich Chancen.

Ökonomische Konsequenzen der Entscheidung werden sichtbar, wenn auch langsam

Die Bevölkerung spürt die ersten Auswirkungen der Brexit-Entscheidung am eigenen Geldbeutel. Das britische Pfund wertet deutlich ab und lässt damit die Inflationsraten steigen. Importe und Urlaubsreisen werden teurer, ohne dass dies durch steigende Löhne ausgeglichen wird. Der reale Kaufkraftverlust könnte die Stimmung in der Bevölkerung kippen. Bei diesen kleinen Brexit-Symptomen dürfte es sich aber lediglich um ein laues Lüftchen handeln, denn der ökonomische Orkan steht noch bevor. Es ist zu erwarten, dass rückläufige Direktinvestitionen aus dem Ausland und eine Investitionszurückhaltung britischer Unternehmen die Konjunktur schwer belasten werden. Etwa 50 Prozent aller vom Vereinigten Königreich exportierten Güter und Dienstleistungen gehen direkt in EU-Länder oder in Länder, die die Gesetze und Handelsvereinbarungen der EU ratifiziert haben. Sollte dies Großbritannien in einem harten Brexit über Bord werfen, drohen ökonomische Verwerfungen von historischem Ausmaß. Die oft angedeutete Senkung der Unternehmenssteuern ist in keiner Weise in der Lage, dies zu kompensieren.

Schlechte Verhandlungsposition

Die Komplexität des EU-Ausstiegs wird bei den Verhandlungen offensichtlich. Die Briten müssen alle Handelsverträge mit den 27 EU-Mitgliedsstaaten neu verhandeln. Doch damit nicht genug. Viele weltweite Handelsverträge basieren auf der EU-Mitgliedschaft Großbritanniens und müssen ebenso neu aufgesetzt werden. Schon macht im politischen London die Runde, dass es bis zu zehn Jahre dauern könnte all die internationalen Vereinbarungen sowie Handels- und Zollverträge neu zu verhandeln. Von den Kosten ganz zu schweigen. Zunehmend wird den Briten ihre schlechte Verhandlungsposition klar. Die EU kann auf Ihrem harten Standpunkt verharren, die Briten müssen deutliche Zugeständnisse machen. Das von den UK-Hardlinern immer wieder angedrohte Scheitern der Verhandlungen wäre für Kontinentaleuropa verkraftbar, für das Vereinigte Königreich dagegen eine wirtschaftliche Katastrophe.

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