Joko Widodo – Indonesiens Obama?

19.10.2014

Dr. Ekkehard J. Wiek

Am 9. Juli 2014 hatte das größte muslimische Land der Welt die Wahl: Wer sollte neuer Präsident Indonesiens werden – Joko „Jokowi" Widodo oder der Ex-General Prabowo Subianto? Für viele, vor allem junge Indonesier war es die Wahl zwischen Vergangenheit und Zukunft.

Gut 53 % stimmten für Joko Widodo und es kam, wie es kommen musste: Sein Widersacher erkannte die Wahl nicht an, erhob Vorwürfe der Wahlfälschung und die Sache landete vor dem Verfassungsgericht. Das aber wies nach einem Monat die Klage in einem 3.000 Seiten starken Urteil in allen Punkten ab. Ab dem 20. Oktober wird Jokowi nun offiziell die Geschicke der mit 250 Millionen Einwohnern größten Volkswirtschaft Südostasiens lenken.

Die Herausforderungen sind groß

In Indonesien und im Ausland zeigte man sich sehr erleichtert über die Entscheidung des Verfassungsgerichts, doch für allzu viel Jubel bleibt keine Zeit. Die Aufgaben, die auf den ersten indonesischen Präsidenten warten, der nicht zum Militär oder der alten Suharto-Elite gehört, sind gewaltig. Die politischen Strukturen im Land sind verkrustet, auch Joko Widodo wird daran kurzfristig nichts ändern können.

Seine Partei gehört zu den ältesten des Landes. Sie wird von der Tochter des Staatsgründers Sukarnao, Megawati Sukarnoputri, angeführt. Man muss kein Hellseher sein, um vorherzusagen, dass Sukarnoputri bei den politischen Entscheidungsfindungen gern ein Wörtchen mitreden wird. Auch im Parlament sind die Verhältnisse für den neuen Präsidenten schwierig. Das Parteienbündnis des politischen Gegners Prabowo Subiano besitzt fast eine Zweidrittelmehrheit, allerdings haben bereits größere Gruppen angedeutet, mit Joko Widodo zusammenarbeiten zu wollen.

Ein zunehmendes Problem stellte in den letzten Jahren der Druck überwiegend arabisch beeinflusster militanter islamistischer Gruppen dar. Indonesien ist traditionell ein religiös überaus tolerantes Land. In dem Inselstaat mit seinen zahllosen Ethnien lebten Jahrhunderte lang Moslems, Christen, Buddhisten, Taoisten und Naturreligionen friedlich nebeneinander. Aber Indonesien ist eben auch das Land mit den meisten Muslimen auf der Welt. Kein Wunder, dass sich fanatische Islamisten gerade hier fruchtbaren Boden erhoffen. Joko Widodo steht für mehr religiöse Toleranz. Seine Wahl dürfte für die islamistischen Wirrköpfe ein Rückschlag sein. Dass sie ihr rückwärtsgewandtes Treiben einstellen, ist hingegen kaum zu erwarten.

Wirtschaftlich ein erwachender Riese

Bislang jedoch konnten sich islamistische Tendenzen in Indonesien nicht durchsetzen. Neben der traditionellen Toleranz der Bevölkerung dürfte das vor allem an dem hohen Bildungsniveau, den vergleichsweise hohen Einkommen breiter, vor allem städtischer Bevölkerungsgruppen und der weitgehend freien Presse liegen. Demokratische Verfassung, Bildung und reiches Rohstoffvorkommen sind auch die Schlüsselfaktoren, denen Indonesien ein besonders gutes Entwicklungspotenzial und hohe Wachstumszahlen verdankt.

Zwischen fünf und 6,5 % lag der jährliche BIP-Zuwachs von 2003 bis 2013. Bis 2030 soll die indonesische Mittelschicht von heute 40 Millionen Menschen auf 140 Millionen Menschen anwachsen, bis 2060, so schätzt die OECD, wird das Land die sechstgrößte Volkswirtschaft der Welt sein. Anders als in China fußt ein großer Teil des indonesischen Bruttoinlandsproduktes (lt. Weltbank 2012 rund 878 Milliarden Dollar) bereits auf Binnenkonsum. Zudem wachsen die ausländischen Direktinvestitionen derzeit um 20 bis 30 % pro Jahr. Auch deutsche Firmen zieht es massiv in das Inselreich - Bayer, Siemens, Bosch, Allianz, die gesamte Elite der deutschen Wirtschaft ist in Indonesien vertreten.

Doch wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten: Den hohen Auslandsinvestitionen stehen weit geringere Binneninvestitionen gegenüber. Es sind vor allen bürokratische Hürden und die epidemisch verbreitete Korruption, die gerade heimischen Unternehmen das Leben schwer macht. Hinzu kommt eine mangelhafte Infrastruktur. Der permanente Verkehrskollaps in der Metropolregion Jakarta mit ihren 25 Millionen Einwohnern ist eine massive Belastung für Wirtschaft.

Joko Widodo wird sowohl innenpolitisch als auch wirtschaftlich einen Mehrfrontenkrieg führen müssen. Nicht bei allen notwendigen Reformen wird er dabei auf den uneingeschränkten Zuspruch der Bevölkerung hoffen dürfen. Die Reduzierung der Benzinpreissubventionen, die gut 10 % des Haushaltes binden, wird beispielsweise kommen müssen, damit er Wahlkampfversprechen wie verbesserte Gesundheitsversorgung, Umweltschutzmaßnahmen und Infrastrukturinvestitionen finanzieren kann.

Um das zuletzt schwächelnde Wachstum auf die angekündigten 7 % anzuheben, muss er zudem schnelle Erfolge bei der Korruptionsbekämpfung erreichen. Es ist daher nicht auszuschließen, dass die extrem hohen Erwartungen seiner Anhänger angesichts der Widrigkeiten der Realpolitik schnell in Ernüchterung umschlagen.

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(Autor: Dr. Ekkehard J. Wiek, Vermögensverwalter und Asien-Fondsmanager, Straits Invest Pte Ltd in Singapur)_