Hurrikan Harvey flutet Texas

05.09.2017

Adolfo Laurenti, Global Economist Bank J. Safra Sarasin AG / Foto: © Bank J. Safra Sarasin AG

Es gibt zunehmende Unsicherheit über die wirtschaftlichen Auswirkungen von Hurrikan Harvey, der Südost-Texas Anfang vergangener Woche getroffen hat. Sintflutartiger Regen führte zu grossen Überschwemmungen in der Region Houston. Harvey ist auf dem Weg, einer der fünf kostspieligsten Hurrikane in der US-Geschichte zu werden.

Historische Präzedenzfälle erlauben die wirtschaftlichen Konsequenzen einzuschätzen. Die unmittelbare Sorge betrifft die Öl- und Energiewirtschaft, für die Houston und das nahe gelegene Küstengebiet ein wichtiger Knotenpunkt sind. Zum Beispiel beherbergt die Region etwa ein Drittel der US-Raffineriekapazität. Erste Schätzungen deuten darauf hin, dass 2/3 davon derzeit stillgelegt sind – das bedeutet etwa 20% der gesamten Raffineriekapazität der Vereinigten Staaten jetzt nicht aktiv sind. Dies ist vergleichbar mit den Auswirkungen von Hurrikan Katrina, welcher mehr als 23% der gesamten Raffineriekapazität zur Schließung zwang. Allerdings könnte Harvey im Gegensatz zu Katrina und Ike Raffinerien tatsächlich beschädigt haben. Dies bedeutet, dass die Produktion möglicherweise frühestens in einigen Wochen oder Monaten wieder anlaufen kann. Natürlich gibt es im Vergleich zu 2005, als Hurrikan Katrina die USA traf, erhebliche strukturelle Unterschiede der US-Wirtschaft. Die Schieferölrevolution hat den US-Energiesektor verwandelt. 2005 waren die USA der größte Importeur von Benzin; jetzt ist es der weltweit größte Exporteur von raffinierten Produkten (das Land ist immer noch ein Nettoimporteur von Rohöl).

In den Wochen nach Hurrikan Katrina stiegen die durchschnittlichen Kosten für Benzin um 17% von $2,60 auf $3,05. Die gute Nachricht ist, dass der Anstieg kurzlebig war: In der ersten Novemberwoche waren die Benzinpreise auf ihre Vor-Katrina-Niveaus zurückgekehrt. Die Inflationsrate stieg um mehr als 1,4% im Monatsvergleich. Jedoch verflog ihr Anstieg auch ebenso schnell wieder.

Aufgrund der umfangreichen Störungen erwarten wir in den Monaten August und September negative Auswirkungen auf den realen Konsum, das Lohn- und Stellenwachstum, die anfänglichen Ansprüche auf Arbeitslosenunterstützung und die industrielle Produktion. Im Fall des Arbeitsmarktes können wir uns die Konsequenzen von Hurrikan Sandy anschauen. Sandy traf im Oktober 2012 auf die Ostküste, dabei verursachte er Todesfälle (233 Todesopfer) und Schäden in einer dicht besiedelten Region. Anfängliche Ansprüche auf Arbeitslosenunterstützung stiegen im November stark an, aber gingen ebenso schnell zurück. Es gab eine geringfügige Verzögerung des nationalen Stellenwachstums im Oktober und November. Ab Dezember erreichte der Arbeitsmarkt wieder einen Anstieg von über 200.000 neugeschaffenen Stellen pro Monat. Nach Katrina im Jahr 2005 hat sich das Bruttoinlandsprodukt von Louisiana für zwei aufeinanderfolgende Jahre (-1,7% im Jahr 2006 und -3% im Jahr 2007) reduziert, aber mit wenig sichtbaren Auswirkungen auf das nationale BIP. Natürlich könnte die Grösse von Texas diesmal einen Unterschied machen: Houston ist die 4. grösste Stadt in den USA und seine Metropolregion hat eine Bevölkerung von 6,7 Millionen (im Vergleich zu einer Gesamtbevölkerung von 4,6 Millionen für den gesamten Staat von Louisiana in 2005). Trotzdem erwarten wir nur starke Auswirkungen für Süd-Texas und relativ geringe Konsequenzen für die gesamte US-Wirtschaft.

Die Kosten des Wiederaufbaus werden beträchtlich sein. Laut des texanischen Gouverneur Abbott, wird der Bundesfinanzierungsbedarf weit über 125 Milliarden Dollar betragen, was Hurrikan Katrina übertrifft. Der Silberstreif ist, dass die Notwendigkeit, Texas zu helfen, Handeln im Kongress auslösen dürfte. Die Soforthilfefinanzierung wird voraussichtlich im September verabschiedet, und dieser Beschluss könnte zum gesetzgebenden "Vehikel" für eine relativ rasche Genehmigung einer neuen Schuldenobergrenze und möglicherweise ein Abkommen für den Haushalt 2018 werden, der eine Regierungsabschaltung im Oktober verhindern würde. Aufgrund des politischen Drucks ist das Risiko um die September-Stichtage gesunken.

Kolumne von Adolfo Laurenti, Global Economist, Bank J. Safra Sarasin AG