EuGH-Urteil: Sturm im Wasserglas

19.12.2013

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Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu Lebensversicherungen sorgt für Wirbel. Dabei dürfte sie kaum Folgen haben.

(fw/hwt) Von 1994 bis 2007 wurden Lebensversicherungen nach dem so genannten Policenmodell abgeschlossen. Die Kunden erhielten Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen zusammen mit der Police und nicht wie seitdem vorgeschrieben bereits mit ihrer Vertragserklärung. Der Versicherungsvertrag kam zustande, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb der seit Ende 2004 geltenden Widerspruchsfrist von 30 Tagen ab Überlassung der Unterlagen widersprach. Ob er über diese Frist informiert worden war oder überhaupt keine Unterlagen erhalten hatte, spielte spätestens ein Jahr nach der ersten Prämienzahlung keine Rolle mehr. Dann erlosch das Widerspruchsrecht in jedem Fall.

Hiergegen hatte ein bei der Allianz versicherter Kunde geklagt, der zum Dezember 1998 eine private Rentenpolice abgeschlossen und rund neun Jahre später wieder gekündigt hatte. Er wollte seinen Vertrag mangels erforderlicher Aufklärung inklusive Zinsen rückabgewickelt sehen. Vor dem Land- und dem Oberlandesgericht blitzte er damit ab. Der danach angerufene Bundesgerichtshof reichte den Fall wegen seiner grundsätzlichen Bedeutung an den EuGH weiter. Dieser solle bitte prüfen, ob das Policenmodell überhaupt mit europäischem Recht vereinbar war. Und der kam am 19. Dezember zu einem zunächst spektakulär wirkenden Spruch (Az.: C-209/12): Das Gericht er-klärte die seinerzeit geltende gesetzliche Frist nach § 5 Abs.2 S.4 VVG a.F. für europarechtswidrig. Jetzt muss der BGH dies in einem Urteil umsetzen.

Edda Castello von der Verbraucherzentrale Hamburg gab schon am selben Abend im Fernsehen zu Protokoll, es könnten nun Policen im hohen Milliardenwert rückabgewickelt werden müssen. Der GDV sieht die Sache entspannter: „Das EuGH-Urteil betrifft nicht automatisch alle nach dem Policenmodell abgeschlossenen Versicherungsverträge, sondern allenfalls nur solche Fälle, bei denen der Kunde nicht die Verbraucherinformation oder die Widerspruchsbelehrung erhalten hatte. Der GDV geht davon aus, dass Lebensversicherungskunden auch in der Zeit von 1994 bis 2007 die vorgeschriebenen Vertragsunterlagen regelmäßig vollständig erhalten haben und sie auch ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht belehrt wurden."

Auch die Allianz selbst zeigt sich in einer Erklärung überaus gelassen: „Die Entscheidung des EuGH, dass der deutsche Gesetzgeber im Jahr 1994 europäische Richtlinien zur Lebensversicherung nicht korrekt umgesetzt hat, überrascht. Unmittelbare Auswirkungen auf die nach dem Policenmodell abgeschlossenen Lebensversicherungsverträge ergeben sich jedoch nicht. Die einjährige Ausschlussfrist hat nur dann Bedeutung, wenn der Versicherungsnehmer die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformationen nicht oder nicht vollständig erhalten hat oder er nicht ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht informiert wurde. Allianz Leben hat ihren Kunden auch in den Jahren von 1994 bis 2007, in denen Verträge nach dem Policenmodell abgeschlossen wurden, regelmäßig die vorgeschriebenen Vertragsunterlagen vollständig übersandt und sie ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht belehrt. Dies wurde inzwischen in mehreren Gerichtsentscheidungen bestätigt."

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