Einstieg bei fallenden Kursen

13.07.2014

Nachdem zu Jahresbeginn noch gezweifelt wurde, ob die EZB es wagen würde, den Zinssatz der Einlagefazilität mit einem negativen Vorzeichen zu versehen, wurde dies mittlerweile umgesetzt.

Ein viel entscheidender Faktor einer weiteren Senkung des Leitzinses, welche Mario Draghi Anfang Juni 2014 um zehn Basispunkte (BPS) auf nunmehr 0,15 % vollzog, ist dem Devisenkurs des Euro zum US-Dollar beizumessen. Die relative Stärke des Euro führte die europäische Leitwährung im März und Mai dieses Jahres in Regionen von knapp 1,40 US-Dollar. Bereits während der Pressekonferenz der vorletzten EZB-Ratssitzung wurde betont, dass eine weitere Aufwertung nicht erstrebenswert sei und die Zentralbank Mechanismen ergreife, gegen diese anzugehen. Zuletzt ist es gelungen, sich von den vorgenannten Höchstständen zu entfernen und eine Abwertung einzuleiten – die weitere Tendenz deutet Devisenkurse von 1,30 Euro/ US-Dollar oder niedriger an.

Viele Aktienhändler und Analysten waren im Vorfeld der letzten Notenbanksitzung davon ausgegangen, dass der DAX bei einer entsprechenden Zinssenkung die 10.000 Punkte überspringen würde. Dies geschah bereits zeitgleich zur Pressekonferenz. Seitdem pendelt der deutsche Leitindex um die eher psychologisch als charttechnisch bedeutende Marke, konnte sie jedoch bisher nicht nachhaltig überschreiten. Für die kurz- bis mittelfristige Zukunft ist im Vergleich zu den letzten Monaten von einer steigenden Volatilität auszugehen. Prinzipiell führt jedoch keine Entscheidung an Aktien vorbei, da zinstragende Assets weiterhin eine Rendite nahe null aufweisen. Die Aussagen des EZB-Präsidenten lassen eindeutig darauf schließen, dass auch mittelfristig nicht mit (Leit-) Zinserhöhungen zu rechnen ist und das generelle Zinsniveau auf dem aktuellen Levels verharrt.

Die Bondrenditen sämtlicher DAX-Unternehmen liegen selbst bei langen Laufzeiten unter den jeweiligen Dividendenrenditen identischer Emittenten. Quasi risikolose Anlagen rentieren noch deutlich darunter. Dies wird beispielsweise anhand der fünfjährigen Bundesverzinsung augenscheinlich, die bei ca. 35 BPS liegt. Zur Erzielung einer positiven Realrendite sind Investoren daher gezwungen, Risiken einzugehen, obwohl die deutschen und europäischen Inflationsraten derzeit deutlich unter dem EZB-Ziel von zwei Prozent tendieren. Weiterhin zahlt eher der Sparer als der Steuerzahler die Rechnung der ausufernden Staatsverschuldung.

Europaweit höhere Inflationsraten zu generieren dürfte den Notenbankern weiterhin schwer fallen, da für dieses Unterfangen ein positives Wirtschaftswachstum über die gesamte Währungsunion nötig ist. Eine tatsächlich nennenswerte Wirtschaftsbelebung bleibt insbesondere in der Peripherie bisher aus. Dort sind weitere konjunkturelle Maßnahmen nötig, welche sich an dem Vorbild Irlands orientieren können.

Generell ist davon auszugehen, dass die USA die derzeit noch vorherrschende Krise schneller durchschreiten als die Eurozone. Die zuvor beschriebenen nationalen Herausforderungen der Europäischen Mitgliedsstaaten hindern die Währungsunion, mit den USA die Augenhöhe zu wahren. Janet Yellen wird es vergleichsweise leicht fallen, den Ankündigungen ihres Vorgängers, Ben Bernanke, Folge zu leisten und das Tapering weiter fortzusetzen. Es ist zu erwarten, dass die zukünftigen Anleihekäufe der Fed deutlich schneller verringert werden, als es bisher der Fall ist. Da somit das Quantitative Easing zeitlich befristet wird, ist die US-Notenbank auch deutlich eher als ihre internationalen Pendants in der Lage, die Notenbankzinsen wieder anzuheben und sich von dem historischen Tief zu entfernen.

Insbesondere die Perspektive für die US-amerikanischen Aktienmärkte ist weiterhin gut. Anleger sollten jedoch bedenken, dass zwischenzeitliche Kursverluste nicht gleich den Ausbruch einer Krise oder das Platzen einer vermeintlichen Blase bedeuten. Vielmehr stellen diese neue Einstiegsgelegenheiten nach den Anstiegen der Aktienbörsen in den vergangenen Monaten dar.

(Autor: Dr. Andreas Schyra, Vorstandsmitglied der Private Vermögensverwaltung AG)