Ein völlig falscher Ansatz

14.10.2014

Hans-Werner Thieltges

Es gibt viel zu wenige Pflegekräfte in Deutschland, und das hat gleich mehrere Gründe.

Eine einheitliche Ausbildung existiert nicht, die tägliche Arbeitsbelastung übersteigt oft die Grenze zum Zumutbaren, die Bezahlung ist zumeist unterirdisch und das Ansehen in der Bevölkerung denkbar mies. Wer will da schon diesen Beruf ergreifen? Hinzu kommt der demografische Wandel und – wie Dr. Stefan M. Knoll, Vorstand der DFV Deutsche Familienversicherung, zuletzt bei der Convention Pflege der finanzwelt ausführte – der Wegfall der Wehrpflicht und damit des Freiwilligendienstes. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung ihren Willen bekräftigt, den ambulanten Pflegedienst zu stärken. Natürlich aus gutem Grund: Die Politik setzt auf die Pflege daheim statt auf die Unterbringung Pflegebedürftiger in stationären Einrichtungen. So weit, so gut. Blieben diejenigen, die es betrifft, nämlich die Pflegekräfte, nicht außen vor. Dafür steht ein aktuelles Beispiel aus Berlin.

Der dortige Senat will eine Pflegekammer installieren, was an sich ja keine schlechte Idee ist. Eine Projektgruppe der Alice Salomon Hochschule soll in diesem Zusammenhang in Kürze 1.000 examinierte Pflegekräfte zu ihrer Haltung zur Gründung einer derartigen Kammer befragen. Dumm nur, dass die Betroffenen offenbar gar nicht so recht wissen, um was es genau geht. Dies moniert nämlich der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V., so dessen Berliner Landesvorsitzender Dietrich Lange: „Die Pflegekräfte in Berlin sollen sich zu Plänen äußern, die nicht einmal ansatzweise öffentlich vorliegen." Bisher habe noch niemand den Pflegenden gesagt, welche Kosten auf sie zukämen und welche Konsequenzen die Einrichtung einer Pflegekammer nach sich ziehe. Zustimmung oder Ablehnung seien aber wesentlich auch eine Frage des zu zahlenden Kammerbeitrages. Lange: „Wenn die Senatsverwaltung die Pflegekräfte in Berlin wirklich ernst nehmen werde, müsste sie vor der Befragung alle Fakten auf den Tisch legen." Zudem besitze eine Kammer gegenüber der Politik kein wirkliches Mitspracherecht.

Um ihre Belange wirkungsvoll verfechten zu können, ist es unerlässlich, dass die Pflegekräfte in den für sie relevanten politischen Gremien ein direktes Mitspracherecht erhalten. Dafür bedarf es jedoch einer einheitlichen Berufsordnung. Und natürlich besserer Honorierung. Hier sollte der Staat tätig werden, anstatt ein neues bürokratisches Monster zu erschaffen. Das dann auch noch von den ohnehin unterbezahlten Pflegekräften finanziert werden muss. Bloße Beschäftigungsmaßnahmen kann sich unser Pflegesystem weiß Gott nicht leisten.