Bürgschaften sind keine nachträglichen Anschaffungen

20.02.2018

Holger Witteler / Foto: © Husemann, Eickhoff, Salmen & Partner GbR

Wird ein Gesellschafter im Insolvenzverfahren als Bürge für Verbindlichkeiten der Gesellschaft in Anspruch genommen, so kann er dies nicht mehr als nachträgliche Anschaffungskosten werten und somit auch nicht mehr steuermindernd geltend machen. Dies entschied der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil (Aktenzeichen: IX R 36/15). Die Entscheidung hat große Auswirkungen auf die künftige Finanzierung von Kapitalgesellschaften. Bürgschaften der Gesellschafter sind in GmbHs eine oft genutzte Möglichkeit, notwendige Bankdarlehen abzusichern.

Gerade, wenn für größere Investitionen Darlehen benötigt werden, kommt eine GmbH bei der Absicherung mit dem Stammkapital in Höhe von 25.000 Euro nicht weit. Die Banken verlangen dann zusätzliche Sicherheiten. So ließen sich viele Gesellschafter schnell darauf ein, persönlich für die Rückzahlung des Darlehens zu bürgen, denn eine Bürgschaft tut zunächst nicht weh und kostet – bis auf im Einzelfall erforderliche Notarkosten – erst einmal nichts. Und man muss nicht die eigene Immobilie, in der die Familie lebt, als Sicherheit anbieten. Die meisten Gesellschafter gehen davon aus, nie als Bürge in Anspruch genommen zu werden. Der Gedanke „Es wird schon alles gut gehen“ kann manch einen jedoch teuer zu stehen kommen.

Kommt es nämlich zu einem Insolvenzverfahren, tritt die Bank sofort an den Gesellschafter heran, um ihr Geld einzufordern. Bislang konnte der Gesellschafter diese Inanspruchnahme aus der Bürgschaft mit seinen Einkünften – etwa aus Vermietung/Verpachtung oder aus einem Nebenjob – verrechnen und damit steuermindernd geltend machen. Dies ist nach neuer Rechtsprechung nun nicht mehr möglich. In dem vom BFH entschiedenen Fall hatte ein Alleingesellschafter einer GmbH Bürgschaften für deren Bankverbindlichkeiten übernommen. Im Insolvenzverfahren der GmbH wurde er dann von der Gläubigerbank in Anspruch genommen, ohne seinerseits sein sogenanntes Rückgriffsrecht auf die GmbH durchsetzen zu können, denn mangels ausreichend Insolvenzmasse konnte er den Betrag nicht von der GmbH zurückfordern. Daher wollte er seine Ausgabe auf Grundlage der bisherigen Rechtsprechung steuerlich berücksichtigt wissen. Der BFH entschied dagegen. Ein Bürge ist nach dem neuen Urteil nun nicht mehr berechtigt, seinen Rückgriffsausfall steuerlich geltend zu machen. Da hierzu bei Fachleuten unterschiedliche Rechtsauffassungen vorherrschten, ist es ein großer Schritt, dass dieser Sachverhalt erstmals höchstrichterlich entschieden wurde.

Der BFH gewährt jedoch ein Wahlrecht für bestehende Bürgschaften: Hat ein Gesellschafter eine eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe bis zum Tag der Urteilsveröffentlichung, dem 27. September 2017, geleistet, so kann im Insolvenzfall bei Inanspruchnahme der Bürgschaft weiterhin nach den bisher geltenden Grundsätzen vorgegangen werden, wenn dies für den Gesellschafter steuerlich günstiger ist. Wichtig: Bei künftigen Besicherungsanforderungen seitens einer Bank sollte sich der Gesellschafter gut überlegen, welche Art von Sicherheit er für die GmbH anbieten kann. Auch sollten bestehende Bürgschaften nicht sofort „Hals über Kopf“ aufgelöst, sondern vorher sorgfältig mit dem Berater gesprochen werden, um mit ihm das Für und Wider abzuwägen. Sonst könnte es passieren, dass die Bank Probleme im Unternehmen vermutet und das gesamte Kreditengagement gründlich überprüft.

Der Steuerberater kann die steuerlich günstigste Besicherung gemeinsam mit dem Gesellschafter prüfen. Der BFH hat nämlich auch gesagt, dass ausgefallene Gesellschafterdarlehen auch künftig nachträgliche Anschaffungskosten vermitteln, wenn die vom Gesellschafter gewährte Fremdkapitalhilfe aufgrund der vertraglichen Abreden mit der Zuführung einer Einlage in das Gesellschaftsvermögen wirtschaftlich vergleichbar ist.

Auch einer Bürgschaft könnte nach der neuen Rechtsprechung des BFH im Einzelfall Eigenkapitalcharakter beigemessen werden, wenn beispielsweise von vornherein ein Verzicht auf den Regress gegenüber der Hauptschuldner-GmbH in die Bürgschaftsvereinbarung eingebaut wird. Als zusätzliche Absicherung könnte dann – die Zustimmung der Bank einmal unterstellt – noch eine Art „Ersetzungsbefugnis" erklärt werden, dass der Bürge, statt an die Bank als Gläubigerin zu zahlen, auch der Gesellschaft als Hauptschuldnerin den Zahlungsbetrag mit der Anweisung zukommen lassen kann, diesen ausschließlich zur Rückführung des Darlehens zu nutzen. Wie man sieht, wird die Sache hier komplex. Wichtig ist aber, dass auch nach der Änderung der Rechtsprechung des BFH bei richtiger Gestaltung eine steuerliche Berücksichtigung von Finanzierungsleistungen des Gesellschafters möglich bleibt.

Kolumne von Holger Witteler, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater bei der Dortmunder Kanzlei Husemann, Eickhoff, Salmen & Partner