Auftrieb für den Vertrieb

04.12.2014

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Der vertriebliche Abgesang auf die geschlossenen Fonds bzw. AIFs fällt aus. Die Vertriebe scheinen sich, nach langer Dursttrecke, wieder für diese Produktwelt zu interessieren. Und das stärker als ursprünglich gedacht.

Bis Ende des Jahres sollten eigentlich 24 neue, nach den Regeln des Kapitalanlagegesetzbuches (KAGB) aufgelegte geschlossene Alternative Investment Fonds (AIF) auf den Markt kommen. Davon ging der bsi Bundesverband Sachwerte und Investmentvermögen noch im Sommer aus. Jetzt, kurz vor dem Jahresende, sind es deutlich weniger geworden. So sind es derzeit nicht mal drei Handvoll Fonds, die dem Vertrieb zur Verfügung stehen. Die Gründe für die Zielverfehlung sind vielfältig. In den meisten Fällen haben nicht alle willigen Emissionshäuser bereits die Zulassung für ihr Haus oder für einen Fonds von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erhalten. Die einzelnen Zulassungsverfahren ziehen sich deutlich länger als gedacht, ist fast unisono aus den beteiligten Firmen zu hören.

Nach der Verabschiedung des KAGB hatten die Emissionshäuser mit einem schnellen Neustart des Verkaufs von geschlossenen AIFs gerechnet. Doch schnell kam die Frage auf, wer die vielen neuen Angebote eigentlich unters Volk bringen soll? Immerhin haben die zwei Jahre fast völlige Produkt-Durststrecke tiefe Spuren hinterlassen. Vor allem kleinere Vertriebsbüros mussten sich zwangsläufig anderen Produkten zuwenden, um die Einkommensverluste aus den geschlossenen Fonds zu kompensieren. Fraglich blieb bislang, ob diese Vermittler sich der Regulierung stellen und wieder zur Vermittlung von geschlossenen Fonds, heute AIF genannt, zurückkommen würden.

Aktuell listet das Finanzanlagenvermittlerregister der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) insgesamt 41.217 Finanzanlagenvermittler mit Erlaubnis nach § 34f GewO. Davon haben 11.366 oder 27 % eine Erlaubnis für Geschlossene Investmentvermögen (§ 34f Abs. 1 Nr. 2 GewO). Bei den 34f Nr. 3 Vermittlern hat sich die Zahl auf Jahressicht auf 6.748 leicht erhöht.

„Der Vertrieb nimmt gerne wieder neue Fonds auf", beobachtet Andrea Kühne, Leiterin Market Research der Dextro Group. Auch die Nachfrage bei großen Vertriebsplattformen zeigt, dass viele Vermittler auf den Neustart gewartet haben. Die Sorge, dass sie in der Zwischenzeit das Interesse an geschlossenen Fonds verloren haben könnten, scheint unbegründet.

Dennoch spüren vor allem kleinere Emissionshäuser noch die Zurückhaltung der Vertriebe. Nach einer Untersuchung der Dextro Group könnte die Zurückhaltung darin begründet sein, dass Blindpools bei den Publikums-AIF auf dem Vormarsch sind. Knapp 93 % der aktuell geplanten Alternative Investment Fonds sind demnach sogenannte „risikogemischte Fonds", die in mindestens drei Objekte investieren. Um Anleger vor hohen Verlusten zu schützen, dürfen mehr als 10.000 Euro nur noch in risikogemischte Produkte angelegt werden. Nach einer Analyse von Scope weist der überwiegende Teil der bislang emittierten Fonds eine Mindestbeteiligung zwischen 2.500 und 10.000 Euro aus. „Die Emissionshäuser sehen eine stabile Nachfrage von Kunden, die weniger als 20.000 Euro in einem Produkt anlegen möchten", bewertet Kühne diesen Trend. Die Risikostreuung sei ein zugkräftiges Argument für Kunden, die dem Segment den Rücken gekehrt haben oder aufgrund der hohen Ausfallrisiken früher kein Investment in Erwägung gezogen hätten.

Die Risikostreuung ist in vielen Fondsgattungen schwierig. Die aktuellen Flugzeugfonds von CFB, Dr. Peters und Hannover Leasing investieren jeweils in einen einzigen Flieger. Eine Mischung ist aufgrund der hohen Investitionssummen von 140 Mio. Euro schwierig. Hohe Hürden sieht Dextro auch für die Anleger von US-Immobilienfonds. Die meisten sehen Mindestanlagesummen von 30.000 US-Dollar vor. Als Grund nennen die Emissionshäuser die Nebenkosten für die amerikanische Steuererklärung, die der Anleger bezahlen müsste. Warum das früher keine Rolle gespielt hat, bleibt unklar. Die hohen Mindestsummen tragen ihren Teil dazu bei, dass viele Vermittler ihren Kunden weiterhin keine geschlossenen AIFs anbieten. Bei drei der vier im Moment angebotenen großvolumigen Fonds müssen Anleger mindestens 20.000 Euro zeichnen.

Trotz dieser Hindernisse löst sich die Starre im Vertrieb langsam. Vor allem die Banken denken wieder über den Vertrieb von geschlossenen Fonds nach. Viele Genossenschafts- und Großbanken, die sich in der Krise komplett von dem Segment verabschiedeten, suchten nun wieder das Gespräch, berichten die Emissionshäuser. Allerdings haben die Banken ganz konkrete Vorstellungen von den Produkten. Nicht-KAGB-regulierte Produkte haben in den Einkaufsabteilungen keine Chance. Auch die freien Vertriebe setzen nach Aussagen der Pools auf die Regulierung. Sie hoffen, dass diese Produkte bei den Kunden mehr Vertrauen genießen.

Die Emissionshäuser hören den Ruf. Laut Scope richtet sich per Ende Oktober ein Viertel aller geschlossenen Fonds in Emission am neuen Recht aus. Scope Ratings erfasst dabei 52 geschlossene Publikumsfonds. Die restlichen Fonds sind Altfonds, die aufgrund von Übergangsregelungenweiter vertrieben werden dürfen oder Fonds, die aus anderen Gründen nicht unter das KAGB fallen, wie etwa Betreibermodelle.

Die dominierende Assetklasse bleiben die Immobilienfonds. Gemessen am prospektierten Eigenkapital machen die Immobilienfonds im dritten Quartal knapp 90 % des Marktes aus. Größter Fonds ist der „JAMESTOWN 29", der fast die Hälfte des prospektierten Eigenkapitals auf sich vereint. Der Rest entfällt auf den „Real I.S. Grundvermögen", „Hamburg Trust DOMICILIUM 11", „PROJECT Wohnen 14", „ZBI Professional 9" und den „IMMAC Sozialimmobilien 71. Renditefonds", wie eine Auswertung von Feri ermittelt hat. Zudem hat Aquila die Gestattung für einen Erneuerbare-Energien- und einen Private Equity-Fonds bekommen. Noch nicht enthalten waren in den Zahlen die Fonds des vierten Quartals. Hier kamen unter anderem der neue Zweitmarkfonds der HTB, „21. INP Deutsche Pflege Portfolio" oder die neuen Flugzeugfonds von CFB, Dr. Peters und Hannover Leasing. Laut Scope summiert sich aktuell das geplante Eigenkapitalvolumen aller 12 angebotenen AIFs auf mehr als 1 Mrd. Euro.

Dass es so lange dauerte, bis der Markt wieder anzog, könnte auch daran liegen, dass zunächst kleinere Emissionshäuser mit vergleichsweise geringen Fondsvolumina nach neuem Recht vorgelegt haben. Erst danach kamen mit Dr. Peters, Hannover Leasing, JAMESTOWN oder der Real I.S. großvolumige Fonds auf den Markt. Bei drei der vier Fonds liegt das angestrebte Eigenkapitalvolumen im dreistelligen Millionenbereich. Die vier Fonds vereinen zusammen rund drei Viertel des geplanten Eigenkapitalvolumens sämtlicher AIFs.

Einige Branchenteilnehmer vermuten, dass sich Banken und Vertriebe angesichts der Erfahrungen aus der Vergangenheit an die Fonds der kleineren Häuser nicht herangetraut haben. Sie wollen offenbar erst abwarten, wie sich die Fonds der etablierten großen Häuser bei den Kunden bewähren, bevor sie dem breiten Markt wieder ihr Vertrauen schenken. Wenn sie diese großen Fonds problemlos platzieren, so die Hoffnung, könnten auch kleinere Emissionshäuser wieder in den Fokus rücken.

Die Sorge ist nicht unbegründet. Denn die Marktbereinigung dürfte noch lange nicht zu Ende sein. Zuletzt musste das Emissionshaus Shedlin Capital einen Insolvenzantrag stellen. Die Branche rechnet damit, dass im kommenden Jahr noch andere Häuser feststellen werden, dass nicht nur die Anfangskosten für eine KVG-Genehmigung, sondern auch die laufenden Kosten deutlich höher ausfallen als früher. Die Vertriebe wollen unter allen Umständen vermeiden, dass sie ihren Kunden erklären müssen, warum es in der jetzt regulierten und daher so viel sichereren Welt nun doch noch Emissionshäuser gibt, die pleite gehen könnten. Auch darum dürften zunächst die großen und etablierten Häuser bevorzugt werden.

Die Mehrheit der Anbieter zeigt sich auch weiter optimistisch. Eine Umfrage unter 100 Marktteilnehmern durch die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC, dem Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA) und dem bsi förderte zutage, dass immerhin 43 % der Manager alternativer Assets von steigenden Umsätzen ausgehen. Nur jeder fünfte erwartet geringere Umsätze als in der Vergangenheit.

Im kommenden Jahr dürfte dann die Bewährungsprobe kommen. Scope rechnet mit einer langsam, aber stetig steigenden Zahl an AIFs. Zahlreiche Initiatoren hätten Produkte in der Vorbereitung und warteten auf die Gestattung der BaFin. Laut Scope Ratings sind derzeit 27 Fonds konkret in der Konzeption. 14 Produkte – und somit mehr als die Hälfte – sind Immobilienfonds. Diese Assetklasse wird zweifellos das Angebot weiter bestimmen. Doch auch hier wird das Portfolio breiter werden. In der Planung sind z. B. Handelsfonds, aber auch die USA rücken immer stärker in den Blickpunkt. So hat die US-Treuhand ihren aktuellen Fonds lediglich ins erste Quartal geschoben. Andere Assetklassen werden dagegen noch etwas brauchen, um für die Vertriebe wieder verfügbar zu sein. Insbesondere bei den Erneuerbaren Energien dürfte es nur wenige neue Produkte geben. Immerhin hat etwa Voigt & Collegen einen Fonds für die zweite Jahreshälfte angekündigt. (ahz)

finanzwelt SPECIAL I Sachwertanlagen und Immobilien I AIF-Fonds - Ausgabe 06/2014