Alternative für Assekuranz-Portfolios

24.05.2016

Florian Martin

Infrastrukturinvestments können unter der aktuellen Solvency-II-Regelung gezielt zur Optimierung der Portfolios der Assekuranz eingesetzt werden. Im Gastkommentar werden neue Wege dargestellt.

Marode Straßen und Brücken verdeutlichen längst, dass staatliche Finanzierungsprogramme die Investitionslücke bei Infrastrukturprojekten nicht mehr schließen können. Auch die geforderte Wende weg von traditionellen hin zu erneuerbaren Energien soll mit privaten Geldern geleistet werden. Der Europäischen Kommission zufolge beläuft sich europaweit der Investitionsbedarf für Infrastrukturnetze in den Bereichen Verkehr, Energie und Telekommunikation bis 2020 schätzungsweise auf bis zu eine Billion Euro. Folglich sind Investitionen in Infrastruktur ein vieldiskutiertes Thema. Die Überlegungen reichen von neuen Modellen zur Mobilisierung privaten Kapitals bis hin zur stärkeren Einbindung von Versicherungsunternehmen bei der Finanzierung von Infrastrukturprojekten. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) weist in seinem Positionspapier „Zur Verbesserung der Bedingungen für Investitionen in Infrastruktur“ darauf hin, dass der Finanzierungsbedarf der öffentlichen Hand und das Interesse der Lebensversicherer, im Rahmen von Solvency II langfristige Verbindlichkeiten durch langlaufende Investments zu bedecken, zusammengebracht werden sollten. Versicherungsunternehmen seien seit jeher an der Investition in langfristige, nachhaltig wertschöpfende Kapitalanlagen interessiert, so ein Argument des GDV. Außerdem halten die Versicherer ihre Kapitalanlagen oftmals bis zur Fälligkeit, um ihre ebenfalls lang laufenden Verbindlichkeiten erfüllen zu können.

Neue Wege bei der Kapitalanlage gehen

Doch bis vor kurzem haben Alternative Anlagen wie Infrastrukturinvestments traditionell im Portfolio von Versicherungsunternehmen eher einen niedrigen einstelligen Prozentsatz ausgemacht. Erst im anhaltenden Niedrigzinsumfeld hat ein Umdenken eingesetzt. Um ihre Renditeverpflichtungen zu erfüllen und die benötigten Erträge zu erzielen, steigt das Interesse an Investitionen in Infrastrukturfonds als ergänzende Portfoliobeimischung. Entsprechend stellt der GDV die Forderung, die Bedingungen für Infrastrukturinvestments unter Solvency II zu verbessern. Denn obwohl Infrastrukturinvestments im Vergleich zu Hedgefonds als risikoarm gelten, müssen sie nach Solvency II mit dem höchsten Standardansatz für Eigenkapitalinvestments von bis zu 49 Prozent Eigenkapital zuzüglich Adjustierungsfaktor unterlegt werden. So kann sich diese Eigenmittelunterlegung in Abhängigkeit von der Entwicklung der Aktienmärkte sogar noch auf bis zu 59 Prozent erhöhen. Der GDV sowie erfahrene Asset Manager halten diese Einordnung für nicht sach- und risikogerecht. Auch die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) empfiehlt eine Anpassung der Faktoren auf einen Wert zwischen 30 und 39 Prozent. Kritiker halten dagegen, dass die Risikostruktur der Anlageklasse Infrastruktur aufgrund ihrer Heterogenität für Investoren schwierig zu beurteilen sei und spezielles Know-how erforderlich mache. Außerdem seien projektspezifische Risiken zu berücksichtigen. In der praktischen Umsetzung gibt es viele Gestaltungsmöglichkeiten. Prinzipiell können institutionelle Investoren als Fremd- oder Eigenkapitalgeber auftreten. Die Auswahl der richtigen Instrumente muss auf den Bedarf des jeweiligen Investors abgestimmt sein. Umso wichtiger ist ein erfahrener Partner mit langjähriger Markterfahrung, der ein ganzheitliches Leistungsangebot von der Strukturierung bis zum Management anbietet. So können Infrastrukturinvestments auch unter der aktuellen Solvency-II-Regelung zur Optimierung des Portfolios eingesetzt werden. Ein rein nach nominellen Anforderungen an das Solvenzkapital optimiertes Anlageportfolio erscheint dabei ökonomisch weniger sinnvoll. Denn Anlagen mit niedriger SCR (Solvency Capital Requirement) wie festverzinsliche Titel erweisen sich derzeit als ertragsschwach und sind wenig geeignet, die notwendigen Erträge zu erwirtschaften. Eine Übergewichtung gerade von neuen langlaufenden Zinstiteln ist zudem gleichbedeutend mit geringerer Risikodiversifikation und erhöhtem Kursrisiko.

Unterschied nominelle und effektive Anforderung an das Solvenzkapital

Alternative Anlagen wie Infrastrukturinvestments dagegen wirken sich unter Solvency II positiv im Portfolio aus, da diese diversifizierende Effekte zeigen und im Standard-Portfolio von Versicherern gegenwärtig meist untergewichtet sind. Somit ergibt sich ein teils erheblicher Unterschied zwischen der nominellen Anforderung an das Solvenzkapital, die lediglich das Marktrisiko der Aktivseite erfasst, und der effektiven Belastung, die alle Effekte insbesondere auf der Passivseite der Versicherer berücksichtigt. Um die effektive SCR alternativer Anlagen zu berechnen, ist ihre diversifizierende Wirkung auf das bestehende Gesamtanlageportfolio zu erfassen. Insbesondere vier Aspekte werden hierbei positiv berücksichtigt. Erstens verbessern Alternative Anlagen, die eine geringe Korrelation mit Zinstiteln als Hauptanlagen mitbringen, die Risikoposition des Gesamtportfolios. Dies führt unter Solvency II zu „Diversifikationsgutschriften“. Zweitens erhöhen langfristige Investitionen mit Anlagedauern von 12 bis 15 Jahren auf der Aktivseite die Duration. Damit tragen sie zu einer Reduzierung des Duration-Gaps bei, das sich bei Lebensversicherern zwischen der Aktiv- und der Passivseite bildet. Drittens tragen sie zu einer möglichst hohen durchschnittlichen Kapitalverzinsung in der Neuanlage bei. Viertens schließlich vermindern Anlagen, die eine geringe Volatilität hinsichtlich der Ertragserwartung ins Portfolio bringen, die Streuungsbreite der Gesamterträge. Über diese geringere Ertragsvolatilität reduzieren sich die Passivpositionen für „Optionen und Garantien“, was wiederum das verfügbare wirtschaftliche Eigenkapital stärkt und die Deckung der Solvabilität verbessert. Je besser ein Versicherer bereits in seinem Portfolio diversifiziert ist oder das Duration-Gap minimiert hat, desto geringer fallen diese Boni auf die Eigenkapitalhinterlegung aus. Dennoch können Versicherer generell auch unter Solvency II renditestarke Alternative Investments tätigen, ohne viel Eigenkapital zu verbrauchen, da die risikominimierenden Effekte sich nun in Zahlen zeigen. Der Forderung des GDV, Infrastrukturinvestments als eigenständige Assetklasse zu etablieren, ist daher uneingeschränkt zuzustimmen. Florian Martin, Mitglied der Geschäftsleitung der KGAL Capital GmbH & Co. KG