"Als Idee ist Warren Buffett tot"

06.07.2016

Dr. Walter Naggl

Grundsätze des wertorientierten Investierens werden verdrängt. Das Value-Investing nach Warren Buffet gilt als eine der großen Erfolgsstrategien. Value-Investoren kaufen bevorzugt Aktien von Unternehmen, die über Marktanteilsgewinne und das allgemeine Wirtschaftswachstum ihren Gewinn steigern.

Nun verdichten sich allerdings die Anzeichen, dass die Grundsätze des wertorientierten Investierens an der Börse zunehmend zurück gedrängt werden. Kritische Beobachter der Szene meinen dazu: Die Amerikaner vergöttern Warren Buffett, handeln aber ganz anders. So hat sich etwa der US-Aktienmarkt, obwohl die Gewinne der Unternehmen im S&P500-Index (EBITDA), nach dem Erreichen des Höchststands Ende 2014 bis Ende Juni 2016 um 15 Prozent gefallen sind, nicht sonderlich davon beeindrucken lassen und sich seitwärts entwickelt. Die Gewinnentwicklung als maßgebliche Bestimmungsgröße des Value-Investmentstils, findet offenbar kaum Beachtung. Vielen Anlegern ist dieser Gewinnrückgang wohl gar nicht bewusst. Auf Einzelwertebene finden sich zahlreiche Beispiele wie die Kurse sich geradezu konträr zu den Kennzahlen entwickeln, die ein Value-Investor beachten würde. So weist ein mittelgroßes Unternehmen der amerikanischen Pharmabranche mit 17 Mrd. USD Marktkapitalisierung deutlich steigende Erlöse, Gewinne und Cash- Flow auf. Die Rendite des freien Cash-Flow beträgt 19%! Für dieses Jahr wird ein KGV von 14,6, für kommendes Jahr von 13,8 erwartet, d.h. es wird eine Fortsetzung des Gewinnanstiegs prognostiziert. Das wesentliche Manko: die Branche in der das Unternehmen tätig ist, wird vom Aktienmarkt in diesem Jahr verachtet. Die Aktie hat innerhalb eines Jahres 25 Prozent verloren. Umgekehrt bei einem großen Ölunternehmen, das 40 Prozent seiner Gewinne aus der Förderung von Öl, weitere 40 Prozent aus der Mineralölverarbeitung und 20 Prozent in der Petrochemie erzielt. Erlöse, Gewinn und Cash-Flow sind im ungebrochenen Abwärtstrend. Die beiden Branchen, in denen das Unternehmen auch tätig ist, Mineralölverarbeitung und Petrochemie, sind dieses Jahr die großen Verlierer am amerikanischen Aktienmarkt. Trotzdem befindet sich der Kurs der Aktie deutlich im Aufwärtstrend und hat innerhalb eines Jahres um 15 Prozent hinzugewonnen. Diese Beispiele sind typisch für die aktuelle Entwicklung am Markt. Zwar kann man über lange Zeiträume von fünf Jahren und mehr den Zusammenhang zwischen Gewinnen und Kursverlauf wieder nachweisen, ein Erfolgsrezept im Sinne von Warren Buffett wird daraus aber nicht unbedingt. Wer kann in der heutigen Zeit die Entwicklung eines Unternehmens über so lange Zeiträume vorhersehen?

Ein Kommentar von Dr. Walter Naggl, Chefvolkswirt PT Asset Management GmbH, Metzingen

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